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AVANTGARDE HERZT PETITBOURGEOISIE

■ Zadek inszeniert „Ab jetzt“ im Theater am Kurfürstendamm

Es war schön. Ich ging zufrieden nach Hause.

Jetzt hätte ich fast vergessen, wo ich war: Am Donnerstag durfte ich nämlich ins Theater gehen, in eine Premiere sogar. Das war am Kurfürstendamm. Da war ein Theater, in das man kein Eis mitnehmen darf, weil an der Tür so Schilder sind mit einer durchgestrichenen Eistüte. Na ja - aber es geht ja auch mal ohne Eis. Und es war trotzdem nicht langweilig. Es war sogar recht interessant!

Da waren nämlich ganz berühmte Schauspieler. Die hießen Otto Sander, Susanne Lothar und Ingrid Andree. Die spielen sonst in richtigen Theatern, an der Schaubühne und so. Und Susanne Lothar war auch mal die Lulu. Da war sie sogar nackt auf der Bühne und auch sonst ganz toll. Das liegt daran, daß sie immer mit diesem berühmten Regisseur, mit diesem Peter Zadek gemeinsame Sache macht. Weil: die beiden können ganz toll miteinander, wo doch auch der Herr Zadek vom richtigen Theater kommt. Die gehen immer zusammen, weil sie sich vielleicht sonst fürchten, so als Avantgarde von vorgestern in Kontakt mit dem Bürger. Deshalb ham'se auch nicht dem Bürger seine Lieblingsschauspieler genommen, gerade mal den Harald Juhnke. Aber der durfte nur als Anrufer auf einem Videotelefon anrufen, und dort war er dann auch wieder betrunken.

Aber trotzdem, das hat der Zadek gut gemacht, echt mal. Das war richtig lustig, besonders im ersten Teil. Auch wegen dem Stück, oder heißt es wegen des Stückes? Das heißt Ab jetzt und ist von einem Engländer, der Alan Ayckbourn heißt und schon viele solche Stücke geschrieben hat und bei dem die Experten immer nicht wissen, ob er zu gut oder zu schlecht ist. Sowas, daß die sich nicht einigen können. Aber ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht so recht. Also übersetzt haben es der Herr Zadek und Frau Corinna Brocher ganz wunderbar. Ich wäre mal gespannt, wie diese ganzen Witze und Wortspiele sich in Englisch anhören. Kaum zu glauben, daß die nicht schon immer auf deutsch waren.

Da geht es um die Zukunft und um ein Mädchen, also um die Susanne Lothar, die jetzt Zoe heißt und bei einem Komponisten, der Otto Sander ist und Jerome heißt, die Freundin spielen soll. Die richtige Frau ist dem nämlich weggelaufen, weil er immer alles auf Tonband aufgenommen hat. Auch Gestöhne im Bett - stellen Sie sich das mal vor! Die kleine süße Tochter hat die Frau gleich mitgenommen, und das Schnuckelkind will der Vater jetzt zurückhaben. Das geht aber nur, wenn er ein ordentliches Heim hat, und dazu braucht er eben Zoe. Die will aber auch nicht bei dem bleiben, und weil ja schon Zukunft ist, baut er sich einfach einen Roboter so um, daß er aussieht wie Zoe. Prompt fällt die Ehefrau drauf rein und will ihm das Töchterlein, das eh ganz groß und eklig wie ein Junge geworden ist, gleich dalassen. Leider reden sie dann noch viel gescheit daher, was wichtiger ist, die Liebe oder seine Kompositionen. Und er sieht ja ein, daß die Liebe so wichtig ist, weil er ja sonst auch keinen mehr hochkriegt und halt doch ziemlich allein ist. Aber dann muß er halt doch wieder alles auf Tonband aufnehmen und doch wieder komponieren - also das fand ich eigentlich dann doch alles ziemlich doof, dieses ganze Hin und Her und diese Gespräche, das war eigentlich ziemlich langweilig. Wo's am Anfang doch noch so witzig war und ständig Überraschungen waren, die sicher auch den Intellektuellen gefallen haben.

Aber ehrlich mal jetzt, diese Susanne Lothar ist wirklich ihr Geld wert. Die ist so richtig natürlich, so lebendig. Selbst wenn sie den Roboter spielt. Die finde ich wirklich toll! So ein Temperament! Wirklich sehr zu empfehlen. Den Otto Sander allerdings kann ich jetzt nicht mehr leiden, weil der die Zoe immer so am Kinn zu sich herzieht, wenn er sie mal küssen will - und das finde ich richtig wiederlich. Und irgendwie komisch finde ich eben auch, daß da auf einmal diese ganzen Leute in dem Theater am Kurfürstendamm sind, so Leute, die da sonst nicht hingehen. Was wollen die denn da eigentlich? Das finden die wohl toll, wenn se mal sagen können, sie finden auch noch was anderes gut als immer nur Faust. Von wegen der Volksnähe - das haben die nämlich noch von früher, von vor zwanzig Jahren. Da verstellen die sich extra für. Als ob das Avantgarde wäre. Denn was die halt nicht wissen: da ist kein Volk in dem Theater am Kurfürstendamm. Weshalb sie sich nur für sich selbst verstellen. Gerade so wie dieser Text.

Gabriele Riedle

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