piwik no script img

Das Kreuz-betr.: "Gewaltverherrlichende Pornographie", taz vom 11.3.89

betr.: „Gewaltverherrlichende Pornographie?“,

taz vom 11.3.89

Auch nach der x-ten Wiederholung wird die These vom gewaltverherrlichenden Sadismus des Kreuzes Christi nicht richtiger. Sie paßt allerdings in die Gemütslage von Leuten, die lieber Bäume meditieren und Schlangen, die sich in den Schwanz beißen. Das ist so schön ganzheitlich und irgendwie kosmo-harmonisch. Damit die ach so böse Welt wenigstens in der Religion draußen vorbleibt.

Das Kreuz verlangt da schon ein etwas komplizierteres Verhältnis zur Wirklichkeit. Es steht quer zu jeder Friede -Freude-Eierkuchenreligiosität, es sperrt sich gegen Versöhnung, die noch keine ist, es sträubt sich gegen jegliche Verkleisterung der offenen Wunden dieser Welt. Ich denke, es ist ein sehr realistischer Hinweis darauf, daß Menschen, die Liebe leben unter diesen Bedingungen nicht immer ein Happy-End, sondern auch mit dem „Kreuz“ rechnen müssen. In alledem - und das hat wohl was mit Glauben zu tun - wird es zum Symbol der Hoffnung, diese Welt der Folter, der Unterdrückung, des Leides, das Menschen einander zufügen, nicht bleiben wird, was sie ist.

Daß „christliche“ Seefahrer und andere Kleriker aus dem Kreuz ein Schwert gemacht haben, kann mich doch nicht dazu verleiten, diesen barbarischen Unsinn auch noch zu bestätigen, indem ich seine pervertierte Logik übernehme.

Die Auseinandersetzung mit der eigenen, problematischen Tradition ist ein schwierigeres Geschäft, als die Flucht in scheinbar unschuldige esoterische Regionen.

Hermann Düringer, Frankfurt a.M.50

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen