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Die Lindan-Giftbombe tickt

Container mit sechs Tonnen Lindan nach Schiffbruch weiter vermißt / Ausströmendes Gift würde den Fischfang im Ärmelkanal für lange Zeit lahmlegen  ■  Aus London Rolf Paasch

Französische Minensuchboote haben am Montag wieder die Suche nach dem verlorenen Giftmüllcontainer mit sechs Tonnen des Pestizids Lindan aufgenommen, dessen Aufbrechen am Meeresgrund zur bisher größten Umweltkatastrophe im Ärmelkanal führen könnte. Der rund 12 Meter lange Container, in dem sich das hochgiftige Holzschutzmittel in zehn Fiberglasfässern befindet, war nach einem Schiffbruch des unter panamaischer Flagge fahrenden Frachters „Perintis“ auf der Reise von Hamburg nach Jakarta am vergangenen Montag bei schwerem Sturm mit vier weiteren Lindan-Containern über Bord gegangen. Während die vier übrigen Container von der französischen Marine geborgen werden konnten, war der letzte Giftmüllbehälter bei der Bergung am Donnerstag verlorengegangen. Er wird seitdem in rund 70 Meter Tiefe irgendwo in der Nähe der Unglücksstelle nördlich der britischen Kanalinsel Guernsey vermutet. Umweltschützer sowie das britische Fischereiministerium befürchten im Falle der Freisetzung des Giftes eine Umweltkatastrophe bisher unbekannten Ausmaßes.

Lindan, das in den USA seit Jahren wegen seiner karzinogenen Wirkungen verboten ist, in Großbritannien auf der sogenannten „roten Liste“ umstrittener Chemikalien steht und in der Bundesrepublik weiter als Holzschutzmittel vertrieben wird, ist eine organische Chloridverbindung, die sich langfristig im Tierfett festsetzt und deswegen die Nahrungskette gefährdet. Erst in der letzten Woche hatte die britische Regierung erklärt, sie werde die Freigabe von Lindan erneut überprüfen, nachdem Spuren des krebserregenden Giftes in Kuhmilch sowie in Muttermilch festgestellt worden waren. Sollte der Giftmüllcontainer das Lindan freisetzen, so behaupten Experten, müßte unter Umständen der gesamte Fischfang zwischen englischer und französischer Küste für Monate, wenn nicht Jahre eingestellt werden. Die Ergebnisse von Wassermessungen in der Nähe des Wracks, die Aufschluß geben sollen, ob der ebenfalls an Bord befindliche Giftstoff Permethrin schon ausgetreten ist, werden erst am Dienstag erwartet.

Während in der Schweiz gerade 70 Nationen mit der Formulierung von lahmen Absichtserklärungen zur Unterbindung des Giftmüllexports in Länder der Dritten Welt beschäftigt sind, dürfte das potentiell katastrophale Schiffsunglück neue Fragen nach der Sicherheit von Giftmülltransporten aufwerfen. In Frankreich hat das Umweltministerium bereits das Verteidigungsministerium kritisiert, weil der Verlust des letzten Giftcontainers vier Tage lang geheimgehalten wurde. Auch wäre zu fragen, warum die „Perintis“ den Hamburger Hafen mit ihrer in fragwürdige Behälter verpackten, hochgiftigen Ladung überhaupt in Richtung Indonesien verlassen durfte.

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