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Wettlauf mit dem Schimmelpilz

Die Lingener Pilotentseuchungsanlage wird mit radioaktiv kontaminierter Molke beschickt / In 150 Strahlenmolke-Waggons macht sich der Schimmelpilz breit / Großanlage zur Molkeentseuchung wird gebaut  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Im stillgelegten AKW Lingen I wird seit der vergangenen Woche in der von der Noell GmbH gebauten Pilotentseuchungsanlage erstmals radioaktiv kontaminiertes Molkepulver gereinigt. Nachdem die Pilotanlage zur Molkeentseuchung zunächst mit unbelastetem Molkepulver in Betrieb gegangen war, werden nunmehr täglich in Lingen eine drittel bis eine halbe Tonne der Strahlenmolke verarbeitet, von der der Bund im Februar 1987 5.000 Tonnen beschlagnahmt hatte. Die ersten Versuche in der Pilotanlage, über Ionentauscher das radioaktive Cäsium von der Molke zu trennen, seien positiv verlaufen, erklärte der Sprecher der Bundesumweltministeriums. Die Anlage werde aber noch weiter optimiert. Probleme drohen dem 39 Millionen Mark teuren Entseuchungsvorhaben allerdings inzwischen durch einen simplen Naturvorgang: In den 150 Lingener Molkewaggons, in denen 3.000 Tonnen des strahlenden Lebensmittelpulvers in Bundesbesitz lagern, macht sich der Schimmelpilz breit.

„Eine starke Schimmelbildung haben wir nur in dem einen Waggon, der unbefugt geöffnet worden ist und bei dem auch Molkesäcke aufgerissen worden sind“, sagte zwar gestern der Projektleiter Dr. Klaus Kluge, der bei der Noell GmbH für die Pilotanlage zuständig ist. Dr.Kluge wollte jedoch „nicht ausschließen, daß sich auch in anderen Waggons bereits Schimmel auf der Molke gebildet hat“. Außerdem sei es für die Reinigung der Molke gleichgültig, wenn da etwas Schimmel drauf sei, solange sich das Molkepulver nur auflösen lasse.

An den Kostenrahmen hat sich die Noell GmbH bei ihrem Entseuchungsversuch laut Bundesumweltministerium bisher gehalten: Nach dem Haushaltsansatz sind 4,4 Millionen für Transport und Lagerung, 9 Millionen für die Pilotanlage und 25,6 Millionen Mark für die noch zu bauende Lingener Großanlage zur Molkeentseuchung vorgesehen.

„Nach den bisherigen Untersuchungen ist die Verarbeitungsfähigkeit des Molkepulvers mindestens bis Ende 1989 gegeben“, beschrieb Dr.Kluge gestern den gegenwärtigen Erkenntnistand. 40 Tonnen der Strahlenmolke sollen bis Mai die Pilotanlage durchlaufen. Die Ergeb„nisse dieses Probebetrieb sollen noch in die Konzeption der Großanlage eingehen. Diese muß anschließend in einem Planfeststellungsverfahren genehmigt und dann auch noch gebaut werden. Frühestens Ende dieses Jahres kann die Großanlage in Betrieb gehen, genau dann, wenn die Molke das bisher festgelegte Verfallsdatum erreicht.

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