: Kiel wagt keinen Alleingang
Schleswig-Holsteins Justizminister gegen die Verlegung zweier RAF-Häftlinge von Berlin nach Lübeck ■ Von W. Gast und J. Voges
Berlin/Hannover (taz) - Das Kieler Justizministerium hat gestern dementiert, daß Schleswig-Holsteins Justizminister Klaus Klingner bereit wäre, die in Berlin inhaftierten RAF -Mitglieder Gabriele Rollnik und Angelika Goder in die Lübecker Haftanstalt verlegen zu lassen. Eine entsprechende Meldung hatte gestern das Nachrichtenmagazin 'Spiegel‘ verbreitet. Diesem Bericht zufolge soll die Bereitschaft des Kieler Ministers aber am entschiedenen Widerstand von Bundesjustizminister Engelhard und Generalbundesanwalt Rebmann scheitern. Die Sprecherin des Kieler Ministers, Renate Boockhoff-Lehmann, betonte, es werde in Fragen des Hungerstreiks und einer möglichen Zusammenlegung „keinen Alleingang von Schleswig-Holstein geben“. Die niedersächsische Justizbehörde hatte noch letzte Woche erklärt, zur Zeit sei kein Bundesland bereit, weitere inhaftierte RAF-Mitglieder aufzunehmen.
Nähere Angaben aus den Justizministerien des Bundes und der Länder sind zur Zeit kaum zu bekommen. Offensichtlich haben sich die Behörden darauf geeinigt, erst nach einer internen Verständigung an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Hungerstreik war gestern auch Thema eines in Bonn stattfindenden Treffens der Staatssekretäre aus den verschiedenen Justizministerien. Stephan Wanner, Sprecher des Bonner Justizministers, wollte dieses Treffen noch nicht einmal bestätigen. Er kündigte dagegen an, Justizminister Engelhard wolle „die momentane Funkstille“ diese Woche aufgeben. Das Thema sei „viel zu wichtig, um auf Dauer darüber zu schweigen“.
Den Gesundheitszustand der seit dem 1. Februar hungernden Gefangenen Karl-Heinz Dellwo und Christa Eckes beschrieben deren Rechtsanwälte gestern als „stabil“ und „den Umständen entsprechend gut“. Dellwo soll sich von einer schweren Bronchitis, an der er erkrankt war, wieder erholt haben.
Auch die Redaktion der renommierten Zeitschrift 'Psyche‘ hat sich gegen die Isolationshaft gewendet. „Die Minimierung des für Menschen lebenswichtigen Sozialkontakts und die Reduktion ihrer Sinneserfahrung (durch schalldichte Zellen mit Sichtblenden) ist eine Quälerei, eine Art Folter“, erklären die unterzeichnenden Redakteure. Das Schweigen über die Isolationshaft sei aus Angst und verhohlenem Einverständnis darüber geboren.
Als „vollständig berechtigt“ hat die Vereinigung Niedersächsischer Strafverteidiger (VNS) in einer Erklärung zum Hungerstreik die Forderungen der politischen Gefangenen bezeichnet. In der Erklärung werden die zuständigen Regierungen aufgefordert, endlich die „legitimen Forderungen“ der Gefangenen im Hungerstreik nach Zusammenlegung, freier politischer Information und Kommunikation, ordentlicher medizinischer Versorgung und nach Freilassung der haftunfähigen Mitgefangenen zu erfüllen. Von den zuständigen Regierungsvertretern, so heißt es in der Erklärung weiter, würden auch während dieses Hungerstreiks die Verhältnisse wieder auf den Kopf gestellt. So sei die Behauptung des niedersächsischen Justizministers Walter Remmers, den Gefangenen in Celle sei Normalvollzug angeboten worden, eine Verdrehung der Tatsachen. Zwei der drei Celler Gefangenen seien 1978 aus normalen Haftbedingungen in den Celler Hochsischerheitstrakt verlegt worden. Seither seien den Celler Gefangenen nie normale Haftbedingungen angeboten worden, sondern lediglich jetzt nach Beginn des Hungerstreiks der Umzug aus dem Hochsicherheits- in den Sicherheitstrakt.
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