: Isolationsfolter Hungerstreik
■ Bremer Künstler lasen über die Hintergründe des Hungerstreiks der politischen Gefangenen / Unterschriften für Zusammenlegung und die Freilassung der Haftunfähigen
An sich ist es alles bekannt. Daß in diesem Land politische Gefangene seit Anfang der 70er Jahre unter Bedingungen gehalten werden, die mit dem Verfassungsatz der unantastbaren Menschenwürde auch mit bestem Willen nicht zu vereinbaren sind. Daß Gefangene isoliert werden, abgeschnitten von sozialen Kontakten, abgeschnitten von jedweden Wahrnehmungen lebendigen Lebens, abgeschnitten vom Rauschen des Alltags, zu dem sie keinen Zugang haben, abgeschnitten selbst vom elementaren Zyklus aus Hell und Dunkel, der den einen Tag vom nächsten abtrennt, ist bekannt. Daß diese Isolation zu schweren und irreversiblen Schädigungen an Leib und Seele führt und unter die UN -Definition der Folter fällt, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, daß die Isolationsfolter auch in unserer Freiheitlich-Demokratischen-Gesellschaft gezielt eingesetzt wird, um den Willen und die Persönlichkeit Gefangener zu brechen. Bekannt ist auch, daß der Tod politischer Gefangener kalkuliert wird, daß die Justiz ihn billigend in Kauf nimmt, daß sie sich nur nicht nehmen läßt, den geeigneten Zeitpunkt zu bestimmen.
Am 1. Februar sind über 50 Gefangene aus der RAF und anderen politischen Gruppierungen in den Hungerstreik getreten, den sie nun als Kette weiterführen. Nachdem am 15. Februar außer Karl Heinz Dellwo und Christa Eckes alle den Hungerstreik unterbrachen, kommen im Zweiwochenabstand jeweils zwei Hun
gerstreikende dazu, die entschlossen sind, ihren Streik nicht abzubrechen, ohne daß ihrer Forderung nach Zusammenlegung in kommunikationsfähige Großgruppen stattgegeben wird. Zu erwarten ist, auch das ist nichts Neues, daß die hungernden Gefangenen der künstlichen Ernährung zugeführt werden, um sie irgendwann, wenn ein politisch günstiger Zeitpunkt gekommen scheint, an dem die öffentliche Aufmerksamkeit gering zu sein verspricht, den Ernährungszwang einzustellen. Der Staat demonstriert im Umgang mit seinen radikalen Gegnern Härte und zu behaupten, daß er dabei über Leichen geht, ist verboten.
In das Theater am Leibnizplatz hatten am Montagabend Bremer Künstler geladen, zu einer Informationsveranstaltung über Hungerstreik, über Isolationsfolter und die Hintergründe. Nichts Neues und doch ist es notwendig, das Bekannte immer wieder auszusprechen und zu bündeln. Vor gut gefülltem Haus wurden Texte verlesen, juristische Isolationsverfügungen, medizinische Gutachten, Artikel der furchtbaren Presse, Verlautbarungen zynischer Justizminister und Zustandsberichte aus den Knästen, eine Bestandsaufnahme bitterer Wahrheiten und ihrer Unterdrückung durch bewußtes Verschweigen und unbewußtes Verdrängen. Eine wichtige Veranstaltung, bar des kämpferischen Flugblatt-Pathos, sachlich und engagiert. Ziel ist es, Öffentlichkeit zu mobilisieren, damit es der Justiz erschwert
wird, die Gefangenen einfach krepieren zu lassen und sie stattdessen zu zwingen, auch den politischen Gefangenen erträgliche Lebensbedingungen zuzugestehen.
Um zu signalisieren, daß es ein waches Interesse an der staatlichen Behandlung der Gefangenen gibt, das diese schützen soll, haben die Initiatoren der Veranstaltung eine Resolution verfaßt, die von freien Bürgern zu unterzeichnen ist. Viel ist das nicht, was zu tun bleibt, groß wird auch die Wirkung nicht sein, doch ist es eine der wenigen Möglichkeiten, zu zeigen, daß die Strategie des Verschweigens nicht restlos gelingen wird. ste
Der zu unterzeichnende „Bremer Aufruf zur Zusammenlegung politischer Gefangener“ ist erhältlich im Hungerstreik -Informationsbüro, St.Pauli-Str.10, Bremen
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