piwik no script img

MBB baut kein Luftschiff

■ Trotz neuem Angebot aus Bonn kein Interesse der Werksleitung an alternativer Fertigung / Bereits vierte Möglichkeit für konkrete Rüstungskonversion verpaßt

„Wenn ein Kunde kommt, dann baut MBB das Luftschiff“, so hatte der Leiter des Bereiches Transport und Verkehr von MBB -Bremen, Mehdorn, noch vor vier Jahren versprochen. Doch jetzt verpaßte MBB bereits die vierte Gelgenheit, für den Zeppelin-Plan des „Arbeitskreises alternative Fertigung“ tatsächlich einen Abnehmer zu finden. 500.000 Mark hatte das Bundesforschungsministerium für eine Studie über Produktion und Verwendung von Luftschiffen zur Überwachung der Nordsee bereitgestellt. Weitere 500.000 Mark kommen von MAN und Hapag Lloyd. Doch MBB will sich an dem Projekt nicht beteiligen. In einer Betriebsversammlung Anfang des Monats erklärte die Werksleitung, daß MBB-Bremen im Bereich „Transport und Verkehr“ von Aufträgen aus allen Nähten platze und der Einstieg in die Luftschiffproduktion deshalb unmöglich sei.

„Jetzt fühlen wir uns wirklich gelinkt“, kommentiert Jörg Fischer, Mitglied des AK alternative Fertigung. Schon vor vier Jahren hatten die darin zusam

mengeschlossenen Ingenieure in ihrer Freizeit einen umfassenden Vorschlag für die Entwicklung und Produktion eines Luftschiffes erarbeitet. Mit einer Flotte von acht Zeppelinen könnten die gesamte Nordsee und die Flußmündungen auf Abfall- und Gifteinleitungen überwacht werden. Allein für die Produktion von zwei Luftschiffen könnten dann 150 der 450 ArbeitnehmerInnen aus der Bremer Tornado-Produktion für eineinhalb Jahre zivile Güter herstellen. Insgesamt wären für MBB-Bremen über einen Zeitraum von acht Jahren 50 bis 60 hochqualifizierte Arbeitsplätze gesichert.

Auf der Nordseeschutzkonferenz 1987 signalisierten Nordseeanrainer ihr Interesse an dem Luftschiffprojekt. Doch MBB winkte ab und sprach von „unechtem Markt“. Einen anderen möglichen Markt für Luftschiffe hatte MBB schon vorher an der Seite liegen lassen. Die GTZ, „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“, hatte eine gemeinsame Untersuchung über die technischen Anforderungen an Luftschiffen in Ländern der Dritten

Welt vorgeschlagen. Luftschiffe wären - so die GTZ - in hohem Maße unabhängig von Start- und Landebahnen und gerade für Transporte in Ländern mit geringer Bodeninfrastruktur geeignet. MBB winkte ab, die Firma wollte nicht 50 Prozent der Kosten für die Untersuchung übernehmen.

Fehlende Bodeninfrastruktur - diesmal in Bremen - war auch das Stichwort für eine weitere Verwendungsmöglichkeit von Luftschiffen. Da diese nahezu senkrecht aufsteigen können, so der Vorschlag des Bremer Arbeitskreises, könnten sie den im MBB-Werk ab 1990 produzierten Airbusflügel auch ohne Verlängerung der Startbahn des Bremer Flughafens abtransportieren.

„Ein Luftschiff zu bauen, das 20 bis 30 Tonnen trägt, ist gar kein Problem. Und damit ließen sich Airbusflügel transportie- ren“, sagt Jörg Fischer. Doch die Betriebsleitung war nicht interessert und dessen Mitglied Mehdorn behauptete, ein Transport der Airbusflügel per Luftschiff sei ausgeschlossen. Das wiederholte er auch gegenüber dem Senat, der allerdings ohnehin kein Interesse an Vorschlägen zeigte, die den Flughafenausbau unnötig gemacht hätten.

Daß der Einsatz von Luftschiffen inzwischen sogar auf militärisches Interesse gestoßen ist, zeigt ein Auftrag der US-Marine, die gerade 170 Mio Dollar für die Entwicklung eines Zeppelins vergeben hat. Aus schwer zu ortendem Material gefertigt, mit riesigen Radargeräten ausgestatten, mit Beobachtungsplattformem und der Eignung zur U-Boot-Jagd, Minenräumung - und auch der Überwachung von Gifteinleitungen ins Meer.

Rainer Kahrs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen