Siemens ohne Übernahmeangst

■ Hauptversammlung lehnte Antrag gegen Atomkraft ab / Etappensieg um Übernahme von Plessey / Konzernergebnis soll nicht schrumpfen, obwohl dieses Mal nur ein AKW abgerechnet wird

München (dpa/taz) - Für die Siemens AG, Berlin/München, besteht nach Expertenurteilen keine Gefahr, selbst zu einem Übernahmeobjekt für ein anderes Unternehmen zu werden. Dies erklärte Siemens-Vorstandsvorsitzender Karlheinz Kaske am Donnerstag auf der Hauptversammlung des Elektrokonzerns. Angesichts des derzeit laufenden „feindlichen“ Übernahmeversuchs von Siemens zusammen mit General Electric Comp. Plc., London, die britische Plessey Co. Plc., Ilford/Essex, zu erwerben, hatten mehrere Aktionäre entsprechende Befürchtungen geäußert. Laut Kaske will der Elektrokonzern im laufenden Geschäftsjahr 1988/89 ein Ergebnis erzielen, „das nicht unter dem des Vorjahres liegt“. 1987/88 stieg der Konzerngewinn um neun Prozent auf 1,4 Milliarden DM.

In den ersten fünf Monaten des laufenden Geschäftsjahres stieg der Auftragseingang um 15 Prozent auf 25,7 Milliarden DM, der Umsatz um 13 Prozent auf 21,1 Milliarden DM. Laut Kaske beruht der starke Anstieg auf einem Basiseffekt. Das hohe Wachstum werde sich in den nächsten Monaten erheblich abschwächen. Für das Gesamtjahr 1988/89 sei ein Umsatz auf Vorjahresniveau von rund 59 Milliarden DM zu erwarten. Statt zwei Atomkraftwerken, wie im Vorjahr, komme diesmal nur eins zur Abrechnung. Auf der mehrstündigen Hauptversammlung mit etwa 6.000 Aktionären (Präsenz 57,4 Prozent gegenüber 59,4 Prozent im Vorjahr), nahm das Engagement des Siemens -Konzerns in der Atomkraft breiten Raum ein. Mit einem abgelehnten Gegenantrag sollte dem Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung wegen dieser Geschäftsaktivitäten verweigert werden.

„Ich habe den Eindruck, daß Siemens die Entwicklung bei erneuerbaren Energien verschläft“, stellte der Landshuter Kleinaktionär Thomas von Teuffenbach fest. Er kritisierte, daß im Geschäftsbericht keinerlei Vergleichszahlen darüber auftauchten, wieviel an Forschungs- und Entwicklungsmitteln für den Solar- und Biogasanlagen zur Verfügung gestellt werden. Desweiteren protestierte er gegen das Siemens -Engagement beim Schnellen Brüter. Eine britische Fachkommission von Wissenschaftlern habe bereits festgestellt, daß der Schnelle Brüter keine Zukunft habe und der britischen Regierung empfohlen, sämtliche Mittel dafür zu streichen. „Ist es wirklich im Firmeninteresse, diese Skandalfirma aufzukaufen?“, fragte Teuffenbach in Zusammenhang mit der Siemens-Übernahme der Hanauer Plutonium -Brennelementefabriken Alkem und Nukem. Einen Kurswechsel weg von der Atomenergie, hin zu umweltfreundlicheren Energien verlangte auch ein 45jähriger Freiberufler aus Niederbayern. Er warf Siemens vor, daß das „vielbeschworene Modellkraftwerk bei Schwandorf mit Solarmodulen aus Fernost bestückt wird und man außerdem keinerlei Forschung im Bereich Windenergie betreibe“. „Dieses Thema ist schon Diskussionsgegenstand vieler Hauptversammlungen gewesen, und ich kann hier nur wiederholen, was wir bereits früher dazu gesagt haben“, ließ Vorstandsvorsitzender Kaske die Kritiker auflaufen. Seine lapidare Antwort: „Wir müssen uns an die Gegebenheiten des Marktes halten.“

Laut Kaske stellt die Globalisierung der Elektroindustrie mit der Bildung neuer Unternehmensgruppierungen und -allianzen für europäische Unternehmen eine „besondere Herausforderung“ dar. Dazu gehöre das Vorhaben von Siemens, gemeinsam mit General Electric das Elektronikunternehmen Plessey zu erwerben.

Einen Teilerfolg im gemeinsamen Übernahmekampf um Plessey haben Siemens und die General Electric jetzt errungen. Die Plessey unterlag im Rechtsstreit gegen GEC über die von Plessey beanspruchte Kaufoption auf Anteile der gemeinsamen Telekommunikationstochter GPT (GEC Plessey Telecommunications Holdings Ltd.).

lui