: Polen entdeckt den Ostermarsch
■ Gruppe „Freiheit und Frieden“ ist Organisator / Motto: „Europa ohne fremde Armeen“
Breslau (taz) - Erstmals wurden in diesem Jahr Ostermärsche in Polen veranstaltet. Damit wird diese Tradition der westlichen Friedensbewegung jetzt auch von der Opposition in einem osteuropäischen Land aufgegriffen. Während für gestern nachmittag ein Marsch in Szczecin geplant war, fand die erste derartige Veranstaltung bereitsam 22. März in Wroclaw (Breslau) statt. Organisator des Friedensmarsches war die landesweit agierende unabhängige Gruppe „Freiheit und Frieden“ (WIP), die sich im letzten Jahr erfolgreich für die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes in Polen engagiert hatte.
An dem Marsch durch das Breslauer Zentrum nahmen ca. 4.000 vorwiegend junge Leute teil. Im Vorfeld war es zu einer aufgeregten Pressepolemik gekommen, in deren Folge die angemeldete Demonstration verboten worden war. So überraschte es nicht, daß der Marsch, der, unter dem Motto „Europa ohne fremde Armeen“, unweit einer sowjetischen Einheit vorbeiführen sollte, von starken Zomo-Einheiten an der Einhaltung der vorgesehenen Route gehindert wurde.
Mit Blumen versuchten die Demonstranten die Kampfstimmung der Sondereinheiten zu entschärfen. Diese Befriedungsinitiative schien angebracht, da es einen Tag zuvor anläßlich eines harmlosen Happenings der polnischen Spaßorganisation „Orange Alternativ“ zu Auseinandersetzungen mit Knüppeleinsatz und Steinwürfen gekommen war. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um eine Provokationsouvertüre zum Ostermarsch. „In unseren Händen gibt's keine Steine“, proklamierte ein Ostermarschredner, während die WIP-Leute ihre leeren Hände hochhielten. Damit entkräfteten sie die Kampagne der Parteipresse, die den Friedensmarsch als Destabilisierungsaktion denunziert hatte.
Demgegenüber waren sich die Veranstalter sicher, mit dem Marsch Europa ein Stück näher gekommen zu sein. Daß in Polen, trotz Verständigungspolitik am „runden Tisch“, die Zeichen in den örtlichen Behörden häufig noch auf Konfrontation stehen, zeigt auch die Verhaftung eines der Ostermarschveranstalter. Zu den bei seiner Verhaftung beschlagnahmten Gegenständen gehörten - wie das Protokoll vermerkt - „zwei Stofftücher mit aufgemalten Vogelkonturen“. Es handelte sich um das Symbol von WIP - die Friedenstaube.
Leszek Budrewicz
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