: IG-Metall-Vorstand geht auf Distanz
Aufruf der Gewerkschaft zur Kriegsdienstverweigerung im Vorstand umstritten / Jugendsekretär erinnert an Vorstandsbeschluß von 1988, über Kriegsdienstverweigerung aufzuklären / Grüne unterstützen den Appell ■ Von Ursel Sieber
Berlin (taz) - Der Pressesprecher der IG Metall, Jörg Barzynski, hat sich im Namen des Vorstands von der Erklärung zur Kriegsdienstverweigerung distanziert, die das Vorstandsmitglied der großen Einzelgewerkschaft mitunterzeichnet hat. Dieser Aufruf steht unter dem Motto „Kriegsdienstverweigerung ist Zukunftssicherung“ und wurde zusammen mit der „Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte Kriegsdienstgegner“ (DFG-VK) vorgestellt zur Begrüßung des Kriegsdienstverweigerers, mit dem gerade die Million erreicht worden war. Die IG Metall und die DFG-VK wollten mit dieser Initiative im 50.Jahrestag des Polen -Überfalls ein Zeichen im Sinne eines wirklichen Friedensdienstes setzen, heißt es in der Erklärung: „Massenhafte, hunderttausendfache Kriegsdienstverweigerung kann zu einem unübersehbaren Druckfaktor auf die Regierungen werden, Abrüstung voranzutreiben.“
Wie berichtet hatte dieser Appell bei der Bundesregierung scharfe Proteste ausgelöst. Bundeskanzler Helmut Kohl sprach sogar von „einem Generalangriff auf die Bundeswehr“. Am Samstag ging dann der Sprecher der IG Metall, Barczynski, auf Distanz: Der von Karin Benz-Overhage mitverfaßte Aufruf sei mit den übrigen Vorstandsmitgliedern nicht abgestimmt gewesen, so Jörg Barczenski gegenüber der Nachrichtenagentur 'ap‘. Das Kriegsdienstverweigerungsrecht sei als politische Demonstration zur Bekräftigung des Abrüstungswillens ungeeignet. Für Proteste gegen die abrüstungsfeindliche Politik der Bundesregierung gebe es andere Mittel, wie die Teilnahme an den Ostermärschen.
Der Vorstand der IG Metall wird sich nun auf seine eigene Beschlußlage besinnen müssen. Denn im Mai 1988 beschloß er eine politische Initiative mit dem Ziel, über die Möglichkeiten zur Kriegsdienstverweigerung „aufzuklären“. Dafür wurden entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, wie Reinhard Hahn, Jugendsekretär der IG Metall, betonte. Unter anderem wurde eine „Informationsbroschüre“ erstellt, die in den nächsten Tagen verschickt werden soll. Auch die von Karin Benz-Overhage mitunterzeichnete Erklärung ist Bestandteil dieses Beschlusses vom Mai letzten Jahres. Karin Benz-Overhage bekräftigte auf der Abschlußkundgebung des Hamburger Ostermarsches noch einmal ihren Appell zur Kriegsdienstverweigerung: „Ich möchte die bestärken, die begriffen haben, daß jeder Krieg in Mitteleuropa nichts bewahrt und nichts verteidigt, sondern alles zerstört.“ Die IG Metall wolle „einem Grundrecht zum Durchbruch verhelfen“. Die „Überreaktion“ und „nervöse Hektik“ von Verteidigungsminister Scholz zeigten nur dessen Unfähigkeit, „ein zukunftsorientiertes radikales Denken in der Sicherheitspolitik nachzuvollziehen“. Der Bundesvorstand der Grünen erklärte gestern, dieser Appell finde die „uneingeschränkte Unterstützung der Grünen“.
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