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The Sissi Silly Picture Show

■ „Sissi - Beuteljahre einer Kaiserin“ von Walter Bockmayer als Gastspiel des Ensembles der Kölner Filmdose / Heute abend noch einmal im Schauspielhaus

Es kann einem schon etwas peinlich werden, wenn man sich selber laut lachen hört bei Walter Bockmayers „Sissiepos“ weil es so hemmungslos albern ist und die vier Darsteller gnadenlos keinen Gag auslassen, und sei er noch so blödsinnig, hirnrissig oder geschmacklos. Diese ganz andere Geschichte unserer Lieblingsmonarchin beginnt mit der hochschwangerin Kaiserin vorm Traualtar und damit endet, daß sie Kaiser Franz-Josef erschießt und sich anschickt, mit Ludwig dem Zweiten einen neuen Thronfolger zu fabrizieren. Die melodramati

sche Story ist ein Vorwand für Bockmayer, Szenen aneinanderzusetzen, in die ohne Rücksicht auf Verluste soviele Gags gepackt wurden wie möglich.

In der Revue folgt der schönen Weise „Elisabeth“ gleich ein „Sissirap“, die Kaiserin singt in Lederjacke „Born To Be Wild“ mit Ludwig dem Zweiten als wilden Gitaristen mit Vampirzähnen (sicher inspiriert durch die Durchlaucht von Thurn und Taxis) und wenn Anmut und Grazie gefordert sind, heißt es „Ach, Almuth und Grazia kommen auch noch“. Manchmal lacht man eher

aus Verblüffung darüber, wie schlecht die Witze sind, aber lachen muß man. Eine Szene auf dem Tennisplatz hat nur die Funktion, daß minutenlang Bälle von der Bühne ins Publikum geschlagen und wieder zurückgeworfen werden, und man kann Ralph Morgenstern als Sissi in sehr undamenhafter Weise über das Tennisnetz steigen sehen. Im dunklen Wald bei Blitz und Donner wird ein Vorbild direkt zitiert: Riff-Raff aus der „Rocky Horror Picture Show“ erschreckt die Kaiserin und sie singt prompt „There is a light“ aus dem Kultfilm.

Der Star der Vorstellung ist natürlich Ralph Morgenstern als groteske, vulgäre und arg gebeutelte Nachfolgerin Romi Schneiders. Dada Stievermann, Michael Gabel und Georg Schnitzler sind in zusammen neun Rollen mit oft zum Himmel schreienden Kostümen zu sehen, wobei besonders Gabel als Marika Röck und Schnitzler als Cosima Wagner durch besonders überdrehte und tuntige Interpretationen in den Rahmen passen. Dada Stievermann ist die meiste Zeit als höfische Zofe Gräfin von Esterhazy zusammen mit der Kaiserin auf der Bühne, und mit diesen zwei sich ewig angiftenden Schnepfen hat das Stück eine durchgehend komische Grundsituation, aus der beide in alle Richtungen improvisieren können.

Dabei wird besonders eine Grundregel des Theaters beachtet: wenn was so richtig schön daneben geht, ist das Publikum schon halb gewonnen. Wenn Sissi

die Perücke verliert, schnappt sie sich einfach die blonde Pracht von Easterhazy, und die muß erst ganz ohne, und dann mit der Perücke des Pagen aus einer anderen Szene weitermachen. Manchmal müßen beide selber lachen und ein Dialog, bei dem es nicht so recht weitergeht, wird einfach nochmal angefangen. Die beiden sind dabei so gut aufeinander eingespielt und dieses „anything goes“ funktioniert so perfekt, daß es unmöglich ist, die inszenierten Patzer von den wirklichen Hängern zu unterscheiden.

Bockmayer macht eigentlich Kneipentheater in seiner „Filmdose“ in Köln. Susan Sonntag hat schon in den sechziger Jahren in ihren „Notes on Camp“ solche Trivial-Kultur analysiert und zwei ihrer Thesen passen zu „Sissi“ wie die Strapse aufs Männerbein: „Camp“, bei dem man sich über den Kitsch und das vermeintlich Erhabene lustig macht, ist in erster Linie eine Kunst der Schwulen, und unbeabsichtliches Camp ist geplantem Camp immer überlegen. So waren die empörten Zuschauer bei Bockmayers „Schwarzwaldmädel“ viel witziger als das Stück selber, und so wäre „Sissi“ noch besser gewesen, wenn das Publikum nicht nur enthusiastisch geklatscht hätte, sondern auch einige Romy Schneider-Fans laut schimpfend aus der Vorstellung gerannt wären.

Wilfried Hippen

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