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Neue Kleinautos nur noch gegen Bares

■ Die portugiesische Regierung sagt der Kreditaufnahme im Land den Kampf an / Für Anfang April wurden drastische Maßnahmen gegen die Inflation angekündigt / Angst vor Konsumrausch

Lissabon (afp) - Nach Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs und der Europa-Euphorie sehen die Portugiesen jetzt drastischen staatlichen Maßnahmen gegen Konsum auf Pump entgegen. In den ersten Apriltagen treten mehrere Sparmaßnahmen in Kraft, mit denen die Regierung die „exzessive“ Konsumlust ihrer Landsleute bremsen und die Importe drosseln will. Mit diesen Maßnahmen soll in erster Linie die Inflation unter Kontrolle gebracht werden, die im vergangenen Jahr auf 9,6 Prozent stieg, statt, wie von der Regierung angekündigt, von 9,4 Prozent 1987 auf 6,5 Prozent zu sinken. In diesem Jahr dürfte die Preissteigerung die Zehn-Prozent-Marke überschreiten.

Am härtesten werden die Automobil- und Immobilienbranche von dem Sparpaket der Regierung getroffen. Der Mietkauf von Autos wird verboten und Fahrzeuge unter 1.400 Kubikzentimeter dürfen künftig nur dann erstanden werden, wenn der Käufer die Hälfte des Preises bar auf den Tisch legen kann. Der Rest muß binnen zwölf Monaten überwiesen werden. Die Automobilhersteller Fiat und Renault, die beide über Montagewerke in Portugal verfügen, konnten im vergangenen Jahr 40 Prozent ihrer Wagen über Langzeitkredite absetzen. Sie befürchten jetzt einen massiven Rückgang der Verkaufszahlen. Insgesamt wurden in Portugal 1988 rund 200.000 Autos verkauft.

Die Zinsen für Immobilienkredite werden ab April freigegeben, der Zinssatz für bereits laufende Wohnungskredite auf höchstens 17,5 Prozent festgelegt. Gleichzeitig müssen die Banken in Zukunft 17 Prozent der eingelegten Giroguthaben als Reserve zurücklegen statt wie bisher 15 Prozent. Die laufenden Bankguthaben dürfen in den nächsten sechs Monaten nicht mehr als 4,33 Prozent Zinsen abwerfen. Die Sparmaßnahmen der Regierung verbieten außerdem mehrere Kreditformen wie etwa Kredite für Auslandsreisen. Statt mit Wohlstand auf Pump den Anschluß an die anderen europäischen Staaten erreichen zu wollen, sollen sich die Portugiesen künftig nur noch leisten, wofür sie auch gespart haben.

Die Aufregung in der Presse und bei Händlern ist groß. Seit dem Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft vor drei Jahren konnten die Unternehmen Zuwachsraten erzielen, wie es sie in 30 Jahren wirtschafticher Stagnation nicht mehr gegeben hatte. Die Kolonialkriege der Diktatur Salazar und die Jahre der politischen Instabilität nach der Nelken -Revolution von 1974 hatten die Wirtschaft am Boden gehalten.

Heute ist das Wirtschaftswachstum des südwesteuropäischen Landes mit 2,7 Prozent unerreicht in der EG. Das Bruttoinlandsprodukt stieg pro Kopf von kaum 1.780 Dollar 1983 auf mittlerweile 2.890 Dollar. Es ist damit immer noch das niedrigste in Europa, verdeutlicht aber dennoch einen beeindruckenden Aufwärtstrend. Bei den Arbeitslosenzahlen kann sich Portugal ebenfalls sehen lassen, auch wenn der portugiesische Arbeiter nach wie vor der am schlechtesten bezahlte in der EG ist. Nach Luxemburg ist die Arbeitslosenrate Portugals mit 6,1 Prozent offiziell die niedrigste in der Gemeinschaft.

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