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„Das arktische Ökosystem ist sehr empfindlich“

■ Der Ölteppich vor Alaska breitet sich weiter aus / Gegenmaßnahmen bleiben im Sturm erfolglos / Strände sind konkret bedroht / Prinz-William-Sund zum Notstandsgebiet erklärt / taz-Interview mit Kelly Quirke, Ozeanökologe bei Greenpeace

Valdez (dpa/taz) - Der Kampf gegen die bisher größte Ölpest in nordamerikanischen Gewässern wurde am Montag vor Alaska durch heftigen Wind verzögert. Der über 260 Quadratkilometer große Ölteppich im Prinz-William-Sund breitete sich weiter aus. Flugzeuge, die chemische Mittel auf das Öl sprühen sollten, konnten nicht aufsteigen. Hoher Wellengang behinderte auch das Aufsaugen des Öls und vereitelte das Vorhaben, es in Brand zu setzen.

Der Präsident der Exxon-Tankerflotte, Frank Iarossi, teilte mit, der Konzern könne nicht mehr garantieren, daß die Strände von dem Öl verschont blieben. Auch sei es nicht mehr sicher, ob die gesamten 160 Millionen Liter Öl, die sich noch in den Tanks befinden, in kleinere Tanker gepumpt werden könnten. Der Gouverneur Alaskas, Steve Cowper, bat US -Präsident George Bush am Montag um die Hilfe der Bundesregierung bei der Katastrophenbekämpfung. Cowper erklärte den fisch- und tierreichen Prinz William-Sund zum Notstandsgebiet.

Taz-Korrespondent Gregor Freund sprach mit Kelly Quirke, Ozeanökologe bei Greenpeace:

taz: Was wird unternommen, um die Folgen des Unglücks einzugrenzen?

Kelly Quirke: Dafür ist es zu spät. Effektive Hilfe hätte unmittelbar nach dem Unglück einsetzen müssen und nicht drei Tage später. Man hätte wenigstens das Öl eingrenzen können. Die dafür erforderlichen Geräte waren aber zum größten Teil nicht vor Ort, sondern in Seattle. Jetzt wird versucht, das Öl zu verbrennen, aber das ist absurd, weil es sich um Giftmüll handelt. Um diesen zu verbrennen, bräuchte man kontrollierte Bedingungen und eine konstante Verbrennungstemperatur um 1.400 Grad. Diese Voraussetzungen liegen natürlich nicht vor. Statt dessen wird das Öl mit Begrenzungen eingefangen und mit Napalm in Brand gesetzt. Die unvollständige Verbrennung führt zu einem schweren, schwarzen Rauch, der Gifte, zum Beispiel Dioxin, enthält. Zurück bleibt schwarzer, giftiger Teer, der auf den Meeresgrund sinkt und bei jedem Sturm wieder aufgewirbelt oder ans Land geschwemmt wird. Es wird auch versucht, Bindemittel einzusetzen, die das Öl in kleinere Teile aufbrechen sollen, die dann auf den Meeresgrund sinken. Damit wird das gesamte Meeresökosystem belastet.

Wer bestimmt diese Maßnahmen?

Der Verursacher, Exxon Shipping Co. Deren Philosophie ist, das Öl aus Imagegründen möglichst schnell zu versenken. Ansonsten würde deutlich, wie primitiv die Technologie ist, um Öl von der Oberfläche abzuschöpfen. Maximal zehn Prozent des Öls können so eingefangen werden.

Wie sind die langfristigen ökologischen und ökonomischen Auswirkungen?

Wir werden negative Auswirkung in den nächsten Jahrzehnte sehen. Im Prince-William-Sound laichen viele Fische. Heute nachmittag habe ich erfahren, daß den Fischern in Tatilek gesagt wurde, daß niemand mehr ihre Produkte kaufen will.

Was hätte getan werden können, um dieses Unglück zu verhindern, wenn man die Ölförderung und die Pipeline in Alaska als gegeben annimmt?

Als die Pipeline erörtert wurde, haben die Ölfirmen die bestmögliche Technologie und die geringsten ökologischen Auswirkungen versprochen. Das wurde jedoch nicht eingehalten. Es war zugesagt worden, alle Tanker in dieser Gegend würden doppelte Wände haben, die ein solches Unglück weniger wahrscheinlich gemacht hätten. Das war jedoch bei dem verunglückten Tanker nicht der Fall.

Greenpeace bekämpft zur Zeit eine geplante Ausweitung der Ölförderung in Alaska. Was plant die US-Regierung?

Die Regierung hat bereits Lizenzen für Probebohrungen im „Arctic National Wildlife Reservoir“ vergeben. Dies ist wohl eine der unberührtesten und ökologisch empfindlichsten Gegenden der Erde. Von dort soll eine Querverbindung zu der existierenden Pipeline führen. Das bedeutet: mehr Tankerverkehr und eine noch größere Wahrscheinlichkeit weiterer Unfälle.

Wie hat sich der Bau der Alaska-Pipeline auf das Ökosystem Alaskas ausgewirkt?

Gemessen an den vorangegangenen Umweltstudien, waren die Auswirkungen weitaus schlimmer als erwartet. Alleine in diesem Jahr ist es zu mehr als zehn Zwischenfällen gekommen, bei denen Öl ausgelaufen ist. Das Ökosystem der Arktis ist wegen der kurzen Tage und der Kälte sehr spezialisiert und empfindlich. Selbst die kleinsten Störungen haben ungeahnte Auswirkungen. Wir müssen deshalb davon abkommen, Alaska als Energielieferanten zu sehen und uns darauf beschränken, dort lediglich reproduzierbare Ressourcen zu verwenden.

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