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Neuer Streit um Arbeitszeit

■ ÖTV erwartet von 39-Stunden-Woche bis zu 100.000 neue Stellen / Druck-Arbeitgeber befürchten Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit / Arbeitgeberpräsident Murmann wendet sich gegen mehr Sonntagsarbeit

Köln/Stuttgart (ap) - Zwei Tage vor Inkrafttreten weiterer Arbeitszeitverkürzungen in der Metall- und Druckindustrie sowie dem öffentlichen Dienst haben Gewerkschaften und Arbeitgeber unterschiedliche Erwartungen über deren Ergebnisse geäußert. Während die ÖTV bis zu 100.000 neue Stellen erhofft, befürchten die Druck-Arbeitgeber Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen. Der Bundesverband der Arbeitgeber wandte sich ebenfalls gegen weitere Arbeitszeitverkürzungen, aber auch gegen eine Ausweitung der Sonntagsarbeit.

Die ÖTV-Vorsitzende Monika Wulf-Mathies meinte in Stuttgart, die am 1.April in Kraft tretende Arbeitszeitverkürzung für die 2,2Millionen Beschäftigten bei Bund, Ländern und Gemeinden könne bis zu 100.000 neue Stellen bringen. Voraussetzung dafür sei jedoch, daß die einstündige Verkürzung der Wochenarbeitszeit auch wirklich von allen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes beschäftigungswirksam umgesetzt werde. Öffentliche Arbeitgeber wie Hessen oder Baden-Württemberg, die sich noch weigerten, den Tarifabschluß beschäftigungswirksam umzusetzen, befänden sich inzwischen „in einer Außenseiterrolle“. Ihnen warf die ÖTV-Chefin vor, nicht nur ihre Bediensteten um einen Teil des Verhandlungsergebnisses zu prellen, sondern auch gegenüber Millionen von Arbeitslosen unverantwortlich zu handeln.

Die wöchentliche Arbeitszeit im öffentlichen Dienst verringert sich ab 1.April von bislang 40 auf 39 Stunden. Ab 1.April 1990 gilt für die Staatsdiener die 38,5-Stunden -Woche. In der Druckindustrie wird die Arbeitszeit am 1.April 1989 um weitere 30 Minuten auf 37 Stunden je Woche verkürzt. Die Arbeitgeber warnten vor weiteren Arbeitszeitverkürzungen, die den Standort Bundesrepublik unattraktiver machen könnten. Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann wandte sich auf einer Pressekonferenz in Köln gegen mehr Sonntagsarbeit. „Ich glaube, daß wir den Sonntag als Kulturraum erhalten sollten.“ Sonntagsarbeit in der Industrie gebe es in ganz Europa so gut wie nicht, distanzierte sich Murmann von Forderungen des saarländischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, die gesetzliche Einschränkung der Sonntagsarbeit zu lockern. Gleichzeitig bekräftigte Murmann jedoch die Forderung der Arbeitgeber, den Samstag als Arbeitstag zu erhalten. Er warf den Gewerkschaften vor, mit der Forderung nach einem Verbot von Samstagsarbeit auch gegen die Interessen der meisten Arbeitnehmer zu verstoßen.

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