Massenflucht aus Beirut

■ 250.000 Menschen verlassen nach Großbrand die Stadt / Raketen schlugen in Tanklager ein / Energieversorgung vor dem Zusammenbruch / Heftige Kämpfe zwischen Christen und Moslems

Beirut (ap) - Gewaltige Explosionen haben gestern das verwüstete Beirut erschüttert, nachdem Raketen in einem Butangas-Tanklager eingeschlagen waren. Die libanesische Polizei teilte mit, syrische Artilleristen hätten die Katjuscha-Geschosse auf die Tanks im Stadtteil Dora abgefeuert.

Zwischen der von Christen gestellten libanesischen Armee und den von Syrien gestützten islamischen Milizen haben sich in der Nacht zum Donnerstag die Auseinandersetzungen verschärft. Die seit Wochen tobenden Kämpfe, die heftigsten seit vier Jahren, haben unterdessen die Energieversorgung Beiruts an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. In der Hauptstadt Beirut drohen die Lichter auszugehen. Polizisten berichteten, eine Viertelmillion Einwohner von Beirut, wo etwa 1,2 Millionen Menschen leben, seien bis zum Donnerstag in Richtung Südlibanon geflüchtet.

Die Milizionäre und ihre Verbündeten, die Syrer, waren nicht auf einen Aufruf des Führers der christlichen Armeeverbände und Regierungschefs Michel Aoun vom Mittwoch eingegangen, die Waffen schweigen zu lassen. Aoun hatte sich nach einem entsprechenden Appell der Arabischen Liga zum Waffenstillstand bereiterklärt.

Der General warf den syrischen Soldaten vor, sie beschössen systematisch Vorrats- und Tanklager in den Christengebieten und verschonten nicht einmal Krankenhäuser. Die Christen würden sich aber nicht in die Knie zwingen lassen, sagte Aoun und kündigte an, er werde beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Protest gegen das Vorgehen der Syrer einlegen.

Ein Regierungsbeamter sagte gestern, die Versorgungslage Beiruts sei äußerst angespannt. Die Lichter in Libanon würden innerhalb von drei Tagen ausgehen, teilten die Behörden mit, falls der Nachschub an Öl weiter ausbleiben sollte. Seit Dienstag gibt es in Beirut nur vier Stunden am Tag Strom.