: „Ein Auto ist doch bequemer“
Warum fahren auch ökologisch bewußte MitarbeiterInnen der taz häufig lieber mit dem Auto? / Große Zweifel an der Kraft des guten Beispiels / Zeitökonomie vor Ökologie ■ I N T E R V I E W S
Gerd, du bist autofahrender Ökoredakteur der taz. Wenn du hörst, daß wieder ein Tanker leckgeschlagen ist, daß das für Autofahrer wie dich bestimmte Öl ausläuft und die Natur zerstört, hast du dann nicht das Gefühl, Konsequenzen ziehen zu müssen?
Ich bemühe mich permanent darum, indem ich meistens die S -Bahn benutze. Grundsätzlich stellt sich diese Frage natürlich. Aber wenn du beispielsweise ein bis zweimal im Monat nach Bonn fahren mußt, benutzt du das Flugzeug und nicht die Bahn. Das ist ökologisch unsinnig, aber zeitökonomisch notwendig. Ansonsten bin ich in Berlin eigentlich ganz glücklich, weil man in Berlin das Auto sehr viel weniger braucht als woanders.
Ist das Argument der Zeitökonomie nicht eine Ausrede? Der Zeitdruck ist doch keine unveränderliche Konstante, der man sich beugen muß?
Das würde zuerst einmal eine Umstellung der taz bedeuten, und insofern finde ich diese Frage hahnebüchen. Du weißt so gut wie ich, daß wir uns die Zeit nicht so einteilen können, wie wir es eigentlich müßten, wenn wir ökologisch leben wollten. Ich habe große Zweifel, ob allein die Kraft des guten Beispiels ausreicht, um etwas zu verändern.
Barbara, du bist die Redakteurin, die diese Seite betreut. Hast du das Gefühl, Konsequenzen für dein eigenes Verhalten ziehen zu müssen?
Erst einmal nicht, weil ich denke, daß dieses Öl, das aus leckgeschlagenen Tankern ausläuft, nicht nur für Autofahrer bestimmt ist, sondern vor allem in der Industrie, bei Heizanlagen et cetera verwendet wird. Ich sehe mich da nur in einer Kette von vielen Ölverbrauchern. Von daher sehe ich nicht die unmittelbare Reaktion bei mir, daß ich zum Beispiel morgen mein Auto verkaufen muß, damit solche Katastrohen nicht mehr passieren. Wobei ich auch glaube, daß vielleicht auf seiten der Reedereien und Transportgesellschaften arg geschlampt wird.
Irgendwo muß der Anfang doch gemacht werden. Außerdem dient das Öl, das zu Heizöl oder zu anderen Produkten verarbeitet wird, letztlich auch den Konsumenten.
Ganz unrecht hast du nicht. Andererseits macht mir das Autofahren einfach Spaß. Und diese Lust, die ich so unmittelbar befriedigen kann, steht gegen theoretische Überlegungen wie: Wenn keiner anfängt, wird sich nie etwas ändern. Ich bin beispielsweise bereit, über lange Strecken nicht mehr mit dem Auto zu fahren, aber weniger wegen der geringeren Umweltbelastung, sondern weil es bequemer ist. In den großen Städten hingegen sehe ich Mängel im Nahverkehrssystem. Wenn sich das besserte, würde ich mir überlegen umzusteigen. Dennoch warte ich irgendwie darauf, daß auch von anderer Stelle Signale gesetzt werden. Das öffentliche Nahverkehrssystem ist ja zur Zeit für mich eher teurer als das Auto, volkswirtschaftlich gesehen natürlich nicht.
Antje, wie ist es um dein schlechtes Gewissen bestellt?
Ich benutze das Auto nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil es einfach bestimmte Notwendigkeiten gibt. Erstens habe ich ein Kind, und außerdem sind die Nahverkehrsverbindungen ziemlich miserabel. Weiterhin fühle ich mich in meinem Auto sicherer. Ich rechne das eine gegen das andere auf und stelle fest, daß der persönliche Nutzen mir einfach wichtiger ist.
Was müßte sich denn für dich ändern, um auf das Auto zu verzichten?
Ich könnte mir bessere und billigere Verkehrsverbindungen vorstellen. Außerdem sollte es mehr Sicherheit geben, daß man sich nicht ständig von Vergewaltigung bedroht fühlen muß, wenn man unterwegs ist. Es müßte also eine umfassende Änderung geben.
Ist aber die Wahrscheinlichkeit, in einen Autounfall verwickelt zu werden, nicht viel größer, als vergewaltigt zu werden?
Für mich ist es andersrum.
Die Gepräche führte Michael Fischer
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