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Herrhausen wird neuer Finanzminister

Kohls Entscheidung könnte sich aber gegen ihn kehren: Der Deutsche-Bank-Chef will Späth nach Bonn holen  ■  Von Ulli Kulke

In kaum einer Disziplin obsiegt der politische Enkel Helmut Kohl beim direkten Vergleich mit seinem Großvater Konrad Adenauer - mit seinem allerneuesten, schier unglaublichen Coup hat der Oggersheimer nun freilich Boden gut gemacht gegenüber dem „Alten aus Röhndorf“. Lange Jahre hatte der schließlich versucht, den damaligen Gewaltigen der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, in sein Bonner Kabinett zu holen vergeblich. Nach sicheren Informationen der taz aus Kreisen der Frankfurter Hochfinanz sowie des Bonner Kanzleramtes ist es nun dem Bundeskanzler in seinem Osterurlaub - der ja vor allem der Kabinettsreform dienen sollte - gelungen, den Abs -„Enkel“ und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, als neuen Finanzminister am Rhein an Land zu ziehen. Herrhausen gehört bereits seit längerem zum engsten Beraterkreis Kohls in Sachen Wirtschaft und Finanzen.

Erneut bewahrheitet sich damit die These, daß Kohl, wenn auch sonst herzlich wenig, so doch eines perfekt beherrscht: Die Personalpolitik. Es ist schließlich kein Geheimnis, daß der derzeitige Amtsinhaber Gerhard Stoltenberg keineswegs unter Amtsmüdigkeit leidet. Für dessen Nachfolge war der Bundeskanzler daher seit den Pleite-Wahlen in Berlin und Frankfurt auf intensiver Suche nach einem überzeugenden Kaliber, um seine eigene Birne aus der Schlinge zu ziehen. Wenn Kohl Stoltenberg nach dessen Rückkehr von der Frühjahrstagung des IWF am 5. April begrüßt, kann er ihm nun sogleich die Papiere in die Hand drücken.

Aus Bonn war für die Entscheidung Kohls, die den Quellen zufolge bereits Ostersamstag gefallen sein soll, gestern keine Bestätigung zu erhalten. Allerdings wollte weder der Sprecher im Finanzministerium, Karl-Heinz von den Driesch, noch sein Kollege im Kanzleramt, Eduard Ackermann, ein diesbezügliches Dementi abgeben. Beide verwiesen auf die Bundespressekonferenz des Kanzlers in der kommenden Woche. In der Pressestelle der Deutschen Bank hieß es den gesamten gestrigen Tag lapidar: „Die Herren sind heute den ganzen Tag auf Sitzung“ - wen wundert's? Verwunderlicher ist da auf den ersten Blick eher schon die Entscheidung Herrhausens, vom Zenit seiner wirtschaftlichen Machtstellung auf das sinkende Schiff des Kohlschen Kabinetts herabzusteigen. Schließlich sitzt er nicht nur auf dem Chefsessel seines Hauses. Da die Deutsche Bank Beteiligungen bei Daimler-Benz, bei Continental und Holzmann hält, ist er dort jeweils Aufsichtsratsvorsitzender, und darüber hinaus gemeines Ratsmitglied bei diversen anderen Konzernen.

Wohl mehr als Absicherung gegen absehbare Unbill von Wählerentscheidungen ist die Einschränkung zu interpretieren, mit der Herrhausen nach Bonn zieht: „Nur bis zu den Wahlen 1990“, läßt er seit Wochenbeginn im vertrauten Kreise verlauten, angeblich unabhängig vom Wahlergebnis. Dies ist indes nur insofern glaubwürdig, als es ihm in der Tat nicht nur auf das Wahlergebnis Ende nächsten Jahres ankommt, sondern Herrhausen vielmehr seine Polit-Karriere von Entscheidungen abhängig macht, die vorher anstehen, wie die Quellen der taz betonen. Sollte die Europawahl nicht eine klare Wende hin zu wieder besseren Ergebnissen für die Bonner Regierungsparteien markieren, so wird alles für den Noch-Banker darauf ankommen, ob Kohl zügig aus dem Kanzlerbungalow zwangsgeräumt wird und Lothar Späth als Nachmieter einzieht. Dies könnte dann sehr schnell zum ersten - und letzten - Punkt werden, da Helmut Kohl es bereuen wird, den mächtigen Alfred Herrhausen an seinen Kabinettstisch zu holen. Und man darf gespannt sein, ob nach dem Wahltag am 18. Juni noch das vertraute „Du“ zwischen Alfred und Helmut gilt, das sie seit Ende der 70er Jahre pflegen.

Herrhausen will die Achse Herrhausen-Späth in Bonn, um die bundesdeutsche Wirtschaft für die Zeit im EG-Binnenmarkt 1993 noch besser zu wappnen, als sie dies ohnehin schon ist. Und dafür ist er ganz offenbar bereit, sein Banker -Jahresgehalt mal eben auf ein Zehntel zusammenzustreichen, wenn er auf dem Stuhl Stoltenbergs Platz genommen hat. Dann wird nicht mehr sieben-, sondern nur mehr sechsstellig gezählt. Sollte diese Achse stehen, so ist allerdings davon auszugehen, daß Herrhausen sein „Bis 1990 und keinen Tag weiter“ schnell vergißt. Denn eines ist klar: Spätestens 1995 geht es für den heute 59jährigen im Zwillingsturm der Deutschen Bank sowieso keinen Tag mehr weiter. Die smarten Herren der Bank trauen nämlich keinem über 65 und haben bislang noch jeden nach Erreichen dieser Altersgrenze in Pension geschickt. Und wenn Herrhausen dann einen Bundeshaushalt zu verwalten hat, der etwas geringer ist, als der 300 Milliarden Mark schwere Umsatz des Geldhauses, so wäre dies immer noch attraktiver als die Zwangspension.

Wenn Bundeskanzler Kohl in der kommenden Woche die Entscheidung offiziell bekanntgegeben haben wird und Herrhausen vereidigt ist, so ist das nicht das erste Mal, daß der promovierte Kaufmann (Titel der Doktorarbeit: „Der Grenznutzen als Bestandteil des Marginalprinzips“) im offiziellen Dienste der Politik steht. Ende der 70er Jahre meldete er sich freiwillig für den Dienst in der Enquete -Kommission der Bundesregierung zur Reform des Bankenwesens der Republik, und 1982 arbeitete er als Gutachter („Stahlmoderator“) für die Neuordnung der Stahlindustrie.

Den Informationen der taz zufolge wird Herrhausen sofort nach Amtsantritt seine Aufsichtsratsmandate niederlegen. Aber dann winken schließlich diverse Mandate bei Unternehmen mit Bundesbeteiligungen - wie z.B. Airbus -, so daß er auf seine vertraute Umgebung nicht verzichten muß.

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