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Mysteriöse bulgarische Stimmen

■ Nach der schamlos angehypten 88er Chortournee ist nun ein Gesangstrio zu Gast, das dem Faszinosum der balkanesischen Folklore nachgehen läßt

Vor exakt sieben Monaten gastierte der bulgarische Frauenchor 'Le Mystere des Voix Bulgares‘ in der ausverkauften 'Schauburg‘ - kräftig gehypt durch allerlei Zeitgeist-Postillen. Die Szene (oder was sich dafür hält) strömte in Scharen, um sich die geheimnisvollen Stimmen vom Balkan anzuhören und die so niedlich herausgeputzten Vokalartistinnen in ihren putzigen Trachten zu bewundern. Wieviel von dieser Erfahrung hängengeblieben ist, könnte sich heute Abend auf dem Orchesterboden des 'Packhaus -Theaters‘ erweisen, wenn mit dem Trio Bulgarka drei ehemalige Mitglieder des inzwischen weltweit berühmten Chors ihre Stimmen erklingen lassen.

Ob die Wahl des Auftrittsorts aus weiser Voraussicht oder aus rein praktischen Gründen erfolgte: darüber soll hier lieber nicht weiter spekuliert werden. Aber zu befürchten steht doch, daß die Aufmerksamkeit des bremischen Publikums diesmal weitaus geringer ausfallen wird als noch im letzten September. Dabei stehen Yanka Rupkina, Eva Georgieva und Stoyanka Boneva absolut in der gleichen Tradition wie 'Le Mystere des Voix Bulgares‘ und müssen sich hinter diesem Chor höchstens in Sachen Volumen verstecken. Ansonsten verkörpern sie all jene Aspekte des bulgarischen Gesangs, die im westeuropäischen Raum in den letzten Jahren für soviel Furore gesorgt haben: die wilden und ungeraden Rhythmen, den Obertonreichtum und die hart an die Schmerzgrenze stoßende Stimmführung, die für unsere Ohren oft dissonant klingt.Insbesondere Yanka Rupkina, vor noch nicht allzu langer Zeit Solistin bei 'Le Mystere des Voix Bulgares‘, schafft es mit ihrem explosiven Sopran immer wieder, den Zuhörern einen Schauer nach dem anderen über die Haut zu jagen; so kann es denn auch kaum noch überraschen, daß sich Englands Kieksstimme Nr.1 Kate Bush das Trio für die Aufnahmen zu ihrer neuen Platte ins Studio holte.

Im Gegensatz zum großen Chor bringen sich die drei Sängerinnen diesmal instrumentale Begleitung mit: Das Quintett Balkana besteht ausschließlich aus Spitzenkönnern der bulgarischen Volksmusik, die mit Gadulka, Gaida, Kaval, Tambura und Teppan die ganze Bandbreite des traditionellen Instrumentariums zum Klingen bringen werden. Dabei steht zu erwarten, daß sie nicht nur die Gesänge über Liebe und Leid, Helden und Heimat begleiten, sondern auch den einen oder anderen verzwickten Tanz anstimmen.

Warum gerade die Musik des Balkans in den letzten Jahren in Westeuropa auf soviel Resonanz gestoßen ist, läßt sich nicht in einem Satz erklären. Der fremdartige Klang der Lieder dürfte jedenfalls nicht der einzige Grund für die gewachsene Faszination sein: Da existiert irgendetwas in diesen Gesängen, das Schichten unseres Bewußtseins erreicht, an die westliche Musik lange nicht mehr gelangt. Wenn nichts anderes, dann ist diese Erfahrung Grund genug, sich das Trio Bulgarka anzuhören!

JüSU-Satz:!!!!

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