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„Die haben das nicht ernstgenomen“

■ Peter Meyer vor dem Geiselausschuß zur Löblich-Festnahme und dem tödlichen Schuß

„Die waren entsetzt, erschrocken und wahnsinnig vergrellt.“ So beschrieb der Fotojournalist Peter Meyer gestern vor dem Geiselausschuß die Reaktion von Degowski und Rösner, nachdem er ihnen gesagt hatte, daß Marion Löblich von der Polizei festgenommen worden sei. „Ich hatte das Gefühl da passiert was, wenn die nicht sofort zurückkommt.“ Wenige Minuten später war etwas passiert. Degowski erschoß den italienischen Jungen Emanuel de Giorgie.

In den kommenden Sitzungen will der Untersuchungsausschuß herausfinden, warum die Komplizin der Geiselgangster festgenommen wurde und weshalb es so lange dauerte, bis die Frau endlich, zu spät, freigelassen wurde. Eine Version der Polizei wird sich nach der gestrigen Vernehmung von Meyer und des Busfahrers Paul Mikolajczak nicht mehr aufrechterhalten lassen: Im Bericht, den Ex -Generalstaatsanwalt Wendisch im Auftrag des Senats verfaßt hatte, soll Löblich von der Polizei sechs Minuten bevor sie den Bus erreichte, freigelassen worden sein. Angeblich sollen ein Pulk Journalisten Löblich dann behindert haben. Mikolajzak sagte dagegen, er habe Löblich sehr schnell auf den Bus zulaufen sehen. Dabei sei sie von niemandem behindert worden. Mikolajzak und Meyer berichteten übereinstimmend, daß der tödliche Schuß fiel, bevor Löblich den Bus erreicht hatte.

„Da war kein kompetenter Beamter. Die warteten auf Befehle. Keiner hatte Entscheidungsgewalt“, schilderte Meyer seine Eindrücke von drei kurzen Gesprächen, die er am Grundbergsee mit Polizisten geführt hatte. Jedes Mal wies er die Beamten darauf hin, daß Löblich sofort freigelassen werden müßte. Und immer bekam er zur Antwort, die Kompilizin sei bereits unterwegs. Selbst als er um 23.02 das Fünf-Minuten-Ultimatum überbrachte, hatte er das Gefühl, „daß die Beamten das nicht richtig ernst nahmen.“ Im Bus warteten derweil die Geiseln „sehnsüchtig“ (Meyer) auf die Rückkehr von Löblich. „Es herrschte Totenstille“. Da versuchte der junge Italiener Rösner zu bewegen, seine kleine Schwester loszulassen. Neyer: „Degowski sagte: 'Sei ruhig‘ und schoß dann blitzschnell. Als wenn er ihm eine Backpfeife haut, so ist der damit umgegangen.“ Der Schuß sei eher eine Kurzschlußreaktion den eine „Hinrichtung gewesen.“ Meyer, der sich im Austausch für die Gladbecker Geiseln in die Gewalt der Gangster begeben hatte, schleppte den tödlich verletzten Jungen aus dem Bus und nutzte die Gelgenheit zu verschwinden. „Da war mir klar, daß das keine Kaffeefahrt ist.“ Nachfrage der SPD-Abgeordneten Poppen: „Sie waren doch Geisel, warum sind Sie nicht wieder in den Bus?“

Einen Anhaltspunkt, warum die Polizei so lange brauchte, um Löblich freizulassen, gab Busfahrer Mikolajczak. Als er mit Beamten sprach, wurde er gefragt, ob sich die mittlere Bustür auch von außen öffnen lasse. Möglich also, daß die Polizei in dieser Situation überlegt hat, den Bus zu stürmen und deshalb die Komplizin der Geiselnehmer nicht zurücklassen wollte.

hbk

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