Adieu, Alien

 ■ V O R L A U F

(ALF, ZDF, 17.45 und 18.20 Uhr) Ab heute wird das Vorabend -Programm wieder ärmer, denn: Gordon Shamway, besser bekannt unter dem Decknamen ALF, hat heute vor heute seinen (vorerst) letzten Doppelauftritt im ZDF - um danach dort wieder Platz zu machen fürs bieder-seichte Einheits -Entertainement zwischen Dash und Ariel. Zugegeben, auch ALF ist ein Produkt amerikanischer Fernseh-Fließband-Produktion: von der Fast-Food-Schnittfolge („Keine Einstellung länger als 20 Sekunden“) über die elektronischen Lacher bis zu den aufs Minimum reduzierten Standard-Schauplätzen. Und dennoch knackte das pelzige Weltraum-Wesen so manches all-american -(Fernseh-)family-Stereotyp. Alles Autoritäre nämlich lehnt das Anarcho-Kasperle aus dem All aufs Ausdrücklichste ab, er protestierte schon persönlich beim US-Präsidenten per Telefon gegen die Rüstung, machte sich frech über Bürgerwehren lustig und will auch andere heilige Kühe Amerikas, die Haustiere (insbesondere Katzen) schlachten. Ob er der alkoholsüchtigen Bundesrichterin als Geist erscheint oder einen netten Onkel der Familie schon mal zum Herztod erschreckt - all das macht ALF auf charmant-schnoddigre Art und mit schlagfertiger Komik, die sich von den zu dieser Sendezeit sonst üblichen Kalauer-Kamellen angenehm abhob. Auch sonst entspricht das 229 Jahre alte außerirdische Wesen nicht ganz den hiesigen Standards: Wie er es auf seinem Heimatplaneten Melmac gelernt hat, ist Geld für ihn wertlos, und eheliche Kinder gelten als unmoralisch. Serien-Tabus wie Tod oder Behinderte sind für ALF ebenso „Null Problemo“ wie Blödeleien der alternen Art - wie in jener unvergessenen Folge, in der die „Alien Life Form“ ( ALF) das Gedächtnis verlor und glaubte, fortan der Versicherungsvertreter Wayne Schlegel zu sein. Die enorme Popularität des schweineschnäuzigen ETs mit Spock-Ohren setzte sehr schnell schon eine gigantische Produkt-Vermarktung in Gang, die allem Snoopy- und Garfield-Trödel die Show stiehlt: 90 verschiedene Firmen warfen ALF-Artikel auf den Markt, mehr als 250 Produkte von und mit ALF sollen schon existieren. Von Autoschonbezügen bis zur Unterhose, von Geschirr und Gedenkmünzen bis zum Fön in ALF-Form. Eine halbe Million Puppen sammelte die Fan-Gemeinde bislang, und mit 6,5 Millionen verkauften Hörspielkassetten überrundet ALF noch jeden Michael Jackson.

Vor seiner Sendepause (bis Januar) beruft ALF heute eine Pressekonferenz ein: Das Versteckspiel soll ein Ende haben, ALF will ein „normaler Mensch“ werden. Davon dürfte es in der Nachfolge-Sendung nurmehr wimmeln, deren aufregender Titel Quiz nach Quoten ist. Zum Abschied deshalb noch das Bonmot des poussierlichen Wesens vom andern Stern: „Das Beste, was Goethe nicht geschrieben hat, stammt wahrscheinlich von Brecht.“

Dieter Oßwald