: Industrie-Roboter im Art-deco-Stil
■ Auf der Industriemesse in Hannover ist auch der Wertewandel der 80er Jahre ein Markt
In den zweiten Stock der Halle 4 auf dem weitläufigen Hannoveraner Messegelände versteigen sich nur wenige Schaulustige - und wenn, bleiben die meisten bei der „Artware“ hängen, der von Siemens gesponserten Computerkunst -Ausstellung. Kaum beachtet werden dagegen die Exponate in der Schau gleich nebenan, deren schlichte Abkürzung „if“ für „Industrieform“ steht. Für Schaulustige ist das industrielle Design nicht sonderlich interessant; Manager wiederum mögen sich nicht gerne daran erinnern lassen, daß auch beim Kauf von Investitionsgütern ihre ästhetische Vorliebe von ebensolcher Bedeutung ist wie ihr betriebswirtschaftliches Kalkül.
Altrosa glänzt da ein kleiner Industrieroboter der Nürnberger Firma P & P - und er könnte mit seinen abgerundeten Ecken gleich ein Art-deco-Schlafzimmer zieren. Ein für industrielle Luftreinigung gedachter Absorptionstrockner einer Firma aus London, ganz in Schwarz -Rot gehalten, wurde im letzten Jahr mit dem „British Design Award“ ausgezeichnet. Die mattblau gestrichene Eintonnen -Laufkatze von Demag, deren flaches Motorengehäuse wohl Wendigkeit suggerieren soll, gilt als vorbildlich gestylt. Und eine der acht hiesigen „if„-Sonderauszeichnungen für herausragende Produktgestaltung hat auch das Siemens -Programmiergerät PG 750 erhalten, dessen Tastatur-Felder viel größer wirken als sie sind.
Über das Marketing hinaus hat das industrielle Design noch eine besondere Aufgabe erhalten - durch den Wertewandel der achtziger Jahre. „Nicht die Gegenstände bedingen unser Sein, sondern unser Sein bedingt die Gegenstände“, deklamiert zumindest Professor Arnold Schürer, der beim Bielefelder Werkzeugmaschinen-Bauer Gildemeister fürs Design zuständig ist. Wachheit, Reaktionsfähigkeit und Unfallsicherheit, so hat der Professor herausgefunden, sind eng mit dem Aussehen der Maschinen verknüpft, an der gearbeitet wird. Ein ganzheitlicher Standpunkt: Arbeit an einer formschönen Maschine senkt den Krankenstand.
diba
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