: Aaahs und Ooohs auf Wolke sieben
Jan-Ove Waldner (Schweden) und Quiao Hong (China) wurden Einzelweltmeister im Tischtennis ■ Aus Dortmund Petra Höfer
Jetzt ist es vorbei. Die Wimpel und Fähnchen werden abgehängt. Die bunten Trainingsanzüge und Markenschuhe, die sich seit Tagen zwecks Einkaufsbummel durch Dortmunder Innenstadtgebiete gerollt hatten, sind heimgefahren. Mit dem einzigen Teilnehmer aus Mauritius zum Beispiel, der relativ unbemerkt bereits in der Qualifikationsrunde einpacken durfte, mit den vier Pingpong-Cracks aus Bangladesch, von denen sich immerhin einer tapfer in die erste Hauptrunde geschlagen hatte, mit den fünf Nepalesen, denen seit ein paar Wochen eine 3.500 Meter hoch gelegene Tischtennisplatte in Hoomla an der tibetanischen Grenze zur Verfügung steht, oder auch mit den exotischen Herren aus Barbados, für deren Teilnahme erst mal unter den Mitgliedern des Organisationskomitees gesammelt werden mußte, weil daheim niemand die Abgaben an den Weltverband gezahlt hatte.
Aber eigentlich hatten die Zungenbrechernamen von Ghana bis Zypern die globale Tischtennisbühne schon seit Tagen verlassen für die Großen, die Stars, die Künstler mit dem hohen Jahresgehalt aus Schweden, China und ein paar anderen asiatischen Ländern, für die Handvoll Polen, Jugoslawen und: Roßkopf & Fetzner. Nicht mal Nigeria hatte es bis in ein Viertelfinale geschafft, obwohl man Tischtennis dort nach Fußball am meisten liebt und ordnungsgemäß im Schulsport unterrichtet.
Selbst Ehrengast Juan Antonio Samaranch (Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)) war abschließend beeindruckt: „Tischtennis wird schon bald eine der wichtigsten Sportarten bei den Olympischen Spielen werden.“ Das glaube ich allerdings nicht, denn selbst über burgundrotem Teppich sind die Bälle zu klein, zu schnell, der Mensch, der zuschaut, ist immer zu weit weg, und der, der gewinnt, nicht immer der richtige. Und nur ganz oben „auf Wolke sieben“, so Neu-Weltmeister Fetzner - gibt es „Aaaahs“ und „Oooohs“ für Hechtsprünge, spektakuläre Schmetterbälle und erfolgreiche Abwehr drei bis vier Meter vom Tisch, der eigentlich auch bloß vor einem im wesentlichen sich selbst feiernden Publikum den Schweiß, den Krach und dermaßen schlechte Luft zu verursachen vermag wie Samstag nacht. Selbst die Polizei hält Tischtennis-Fans gewöhnlich „für ein nettes Völkchen“. Das ist immer ein schlechtes Zeichen.
Und doch fanden sich die ersten kleinen Scharen nach der „historischen Nacht“ des Doppel-Golds, dem Pathos, dem Bier, dem bißchen Schlaf, pünklich um 8 Uhr 30 in den sonntäglich dahindämmernden Rosenterrassen ein, schlappten durch die langen Gänge der Halle zu ihren Klappstühlchen und betrachteten interessiert, wie die anderen Weltmeister wurden.
Daß zum zweitenmal nach 1971 (Stellan Bengtsson) ein Schwede im Einzel zu Weltmeisterehren kommen würde, war schon vor dem Finale klar. Der genialische Virtuose Jan-Ove Waldner (siehe Press-Schlag), dem die Chinesen so gar nicht liegen, bekam es auf dem Weg ins Endspiel nur mit Europäern zu tun, die er fast beiläufig aus dem Weg räumte. Sein Landsmann Jörgen Persson hingegen erwies sich als veritabler Chinesen-Schreck.
Im Finale sah dann alles nach einem schnellen Sieg des 23jährigen Waldner aus. Zum Entsetzen der Zuschauer, die befürchten mußten, für ihr Geld nicht allzuviel geboten zu bekommen, gewann Waldner die ersten beiden Sätze sicher mit 21:17, 21:18 und ging im dritten frech mit 7:1 in Führung. Doch dann kam Laxheit auf beim verspielten Jan-Ove. Er schmetterte nun nur noch für die Galerie und Persson kämpfte sich Punkt um Punkt heran. Unter dem Jubel des Publikums gewann der Ex-Europameister den Satz noch mit 22:20. Auch den vierten Satz holte sich Persson (21:18), doch dann besann sich Waldner, fand seine Konzentration wieder und ließ Persson im fünften Satz keine Chance mehr. Mit 21:10 sicherte sich der bärbeißige Jan-Ove Waldner den Titel und rang sich danach sogar ein einziges Mal sowas ähnliches wie ein Lächeln ab, während der enttäuschte und wahrhaft untröstliche Persson minutenlang mit gesenktem Haupt auf seinem Stuhl verharrte.
Auch die übrigen Weltmeister kamen diesmal nicht aus Düsseldorf, sondern aus China (Quiao Hong, Damen-Einzel) und Südkorea (Yoo Nam Kyu und Hyun Jung Hwa, Mixed). Was macht das noch? Zwei von der Sorte haben wir jetzt schließlich auch.
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