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Darf die 'plakat'-Gruppe zurück zur IG Metall?

Seit 17 Jahren werden kritische Gewerkschafter bei Daimler-Benz aus der IG Metall ausgeschlossen / Jetzt besteht Hoffnung, daß sich diese Gewerkschaftslinie ändert: Morgen gibt es ein Gespräch zwischen Vertretern der 'plakat'-Gruppe und der IG Metall  ■  Von Maria Kniesburges

Als die 'plakat'-Gruppe, ein Zusammenschluß kritischer Gewerkschafter, in den Daimler-Benz-Werken Untertürkheim und Eßlingen, im vergangenen November ihr zwanzigjähriges Bestehen feierte, hatte sie zwar viele Erfolge aus 20 Jahren konsequenter Betriebsarbeit zu verbuchen, eines aber hat die Gruppe bis heute nicht erreicht: die Wiederaufnahme ihrer Mitglieder in die IG Metall. Wegen Kandidatur auf einer eigenständigen Kandidatenliste zu den Betriebsratswahlen neben der offiziellen Liste der IG Metall bei Daimler-Benz werden die Mitglieder der Liste 'plakat‘ seit 1972 mit Ausschlußverfahren bedacht. Jetzt gibt es Anlaß zu neuen Hoffnungen.

Für morgen mittag ist auf Bitte der Gruppe 'plakat‘ ein Gespräch zwischen Vertretern der IG-Metall-Ortsverwaltungen in Stuttgart und Eßlingen, Mitgliedern der Vertrauenskörperleitung von Daimler-Benz und Mitgliedern der 'plakat'-Gruppe angesetzt. Besprochen werden soll, ob eine Wiederaufnahme der Mitglieder der 'plakat'-Gruppe in die IG Metall nach mehrfachen vergeblichen Versuchen und Vorstößen jetzt doch noch möglich werden kann. Und wie es scheint, stehen die Zeichen diesmal nicht ganz so schlecht, zumindest was die Gesprächsbereitschaft in den beiden zuständigen Ortsverwaltungen der IG Metall angeht. „Wir sind da sehr offen“, so der Bevollmächtigte der Ortsverwaltung Stuttgart, Ludwig Kemet. Auch der Bevollmächtigte der Ortsverwaltung Eßlingen blickt den Dingen wohlgemut ins Auge: „Ich hab da keine Probleme. Das Ergebnis des Gesprächs hängt davon ab, was die Kollegen der 'plakat'-Gruppe zu sagen haben. Wir haben eine Satzung, die müssen sie anerkennen.“

Doch ganz so reibungslos wird das Ganze wohl doch nicht verlaufen. Nach wie vor gibt es zentrale Widersprüche, die auch per Verweis auf die IG-Metall-Satzung nicht umstandslos aus der Welt zu schaffen sind. So ist ein Streitpunkt seit 1972 das Verfahren zur Aufstellung der Kandidatenliste der IG Metall. Jahrelang wurden die Besetzung der aussichtsreichsten Plätze auf der Liste von der Leitung des Vertrauenskörpers und damit im Sinne der alteingesessenen Betriebsratsmehrheit festgelegt. Kolleginnen und Kollegen, die eine konsequentere Interessenvertretung forderten und auch mit der Kritik an der Politik des Betriebsrats nicht hinter dem Berg hielten, hatten keine Chance auf einen auch nur annähernd aussichtsreichen Listenplatz.

Die logische Konsequenz war das Antreten zur Betriebsratswahl auf einer eigenen Liste, über die die 'plakat'-Gruppe auf Anhieb den Sprung in den Betriebsrat schaffte. Sie hält heute sieben Betriebsratssitze gegenüber 20 der IG Metall. Als die Gruppe 'plakat‘ 1978 die Ergebnisse der Betriebsratswahl wegen Formfehlern anzweifelte, stellte das Stuttgarter Arbeitsgericht einen Wahlbetrug zugunsten der IG-Metall-Liste fest. Bis heute ist zwar ungeklärt, wer dafür verantwortlich zu machen ist, aber die Folge war ein Erdrutschsieg der 'plakat'-Liste bei der erforderlich gewordenen Wiederholungswahl. Statt 25 Prozent, wie jetzt, erhielt die Liste stolze 40 Prozent der Stimmen.

Doch nicht nur dieses Spitzenergebnis war zu verzeichnen, sondern auch in der IG Metall war plötzlich ein anderes Verfahren zur Kandidatenaufstellung möglich: Die IG-Metall -Liste wurde per Urwahl unter den IG-Metall-Mitgliedern im Betrieb festgelegt. Ein Verfahren, das zwar sehr wohl im Einklang mit der IG-Metall-Satzung zu bringen ist, von den IG-Metallern in Betriebsrat und Vertrauenskörperleitung jedoch nur vorübergehend zwecks Glättung der Empörung aufgrund des dubiosen Wahlbetrugs Akzeptanz fand. „Für uns“, so Gerd Rathgeb, Mitglied im Betriebsrat für die Gruppe 'plakat‘, „wäre dieses Verfahren von 1978 durchaus ein akzeptabler Modus, auf den man sich einigen könnte. Denn damit hätten auch wir Chancen auf aussichtsreiche Listenplätze.“

Ein weiterer Punkt, um den es morgen mittag sicherlich gehen dürfte, ist seit Jahr und Tag die Frage, wie weit innergewerkschaftliche Kontroversen wie auch Meinungsverschiedenheiten im Betriebsrat öffentlich zur Debatte gestellt werden dürfen. Während die Metaller im Betriebsrat der Ansicht sind, Meinungsverschiedenheiten seien strikt intern, keinesfalls aber öffentlich auszutragen, plädieren die 'plakat'-Mitglieder für unbedingte Transparenz. Die Minderheit könne nicht umstandslos vergattert werden, die Mehrheitsmeinung des Betriebsrats zu vertreten. „Wenn es auf einer Betriebsversammlung zum Beispiel um ganz konkrete Konflikte geht, dann ist das doch gar nicht durchzuhalten, da besteht doch einfach Erklärungsbedarf für die Kollegen“, so Thomas Adler von der Gruppe 'plakat‘. Und auch auf das 'plakat‘, die regelmäßig erscheinende Betriebszeitung der Gruppe, soll im Sinne der „Transparenz für eine konsequente Betriebsarbeit“ auch künftig nicht verzichtet werden. Neue Hoffungen auf eine Wiederaufnahme in die IG Metall schöpfen die 'plakat'-Mitglieder aus den jüngsten Ankündigungen des IG-Metall-Chefs Steinkühler, der im Rahmen der Zunkunftsdebatte in der IG Metall eine „neue Offenheit in der Organisation“ sowie eine „neue Streitkultur“ versprach. „Demnach“, so Thomas Adler, „müßte doch auch für Gewerkschafter unserer Couleur Platz in der Organisation sein. Denn eines war ja immer klar: Wir haben uns nie anders verstanden als als konsequente Gewerkschafter.“

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