Mit der Wohnungsnot Kasse machen

■ Gewoba kassiert in Tenever bis zu 20 Prozent mehr / Mietverzichte wurden plötzlich wieder aufgehoben Betriebskosten stiegen zum Teil drastisch / In ganz Tenever ist keine einzige Wohnung mehr frei

Joachim B. wohnt dort, wo Bremen am höchsten ist, in der Neuwieder Straße. Das Riesenhaus gehört, wie etwa 50 Prozent der Wohnungen, der gemeinnützigen Gewoba. Bis vor einem halben Jahr hatte er dem kommunalen Wohnungsunternehmen monatlich 950 Mark Warmmiete zu überweisen. Jetzt, nach zwei Änderungen, sind es 20 Prozent mehr: 1.120 Mark. „Das ist ein politischer Skandal“, findet Joachim B. und für viele Mieter zugleich „ein soziales Drama, aber was besseres kriegst Du nicht. Es gibt ja nichts mehr.“

Wohnungsnot: Was für Wohnungssuchende zum existentiellen Problem wird, für rechtsradikale Stimmenfänger zum Wahlschla

ger, wird für Wohnungsbauge sellschaften, auch für kommunale und gemeinnützige zum lukrativen Geschäft. In Tenever, wo allein in den Gewoba -eigenen Häusern zum 1.1.1988 noch 77 Wohnungen leerstanden, ist jetzt, so ein Teneveraner, „jede Schabracke“ vermietet.

„Der Leerstand ist absolut null“, drückt Gewoba-Sprecher Ullrich Höft das Gleiche in seinen Worten aus. Und so hat sich auch die Position der Vermieter geändert. Wo früher Wohnraum heruntersubventioniert wurde, da die Wohnungen sonst auf dem Markt nicht unterzubringen gewesen wären, geht es nun in die Vollen. Die Gewoba hat jetzt für alle Wohnungen in Tenever den Miet

verzicht, den sie selber jahrelang freiwillig geübt hatte, aufgehoben.

„Der Abbau ist immer vorgesehen gewesen“, weiß Höft, allein er war nicht durchsetzbar. Vorgesehen deshalb, weil von Anfang an geplant gewesen war, die Förderungsmittel herab und die Mietobergrenzen für öffentlich geförderten Wohnungsbau heraufzusetzen. „Jetzt hilft der Markt“, sagt Höft, sprich die Wohnungsnot.

Verschont geblieben sind etwa 50 Prozent der MieterInnen, deren Einkommen zu niedrig sind. All die anderen, die bei einer Erhöhung der Miete zum früheren Zeitpunkt aus Tenever weggezogen wären, haben keine andere

Möglichkeit, als zu zahlen: Auch in anderen Bremer Stadtteilen sind Wohnungen nur noch im Glücks- und Ausnahmefall zu bekommen.

Der zweite dicke Brocken auf den Mietrechnungen der Teneveraner ist eine zum Teil drastische Erhöhung der Betriebskosten. Bis vor kurzem hatte die Gewoba die Kosten aller ihrer Objekte addiert und dann auf die Mieter umgelegt. Jetzt wurden die Betriebskosten für die einzelnen Objekte spezifiziert und dann auf die Wohnfläche umgelegt: Folge: Billiger geworden sind

Wohnungen nirgendwo im Stadtgebiet, bei einigen wenigen Objekten hat sich nichts geändert, die meisten sind teurer geworden. „Bei einigen Objekten ist es kräftig zur Sache gegangen“, gibt Höft zu.

Bei der Mieterrinitiative in Tenever kann man das nur bestätigen. Die Klagen über 20 Prozent stille Mieterhöhung, wie bei Joachim B., sind dort keine Seltenheit. Und der sagt: „Juristisch ist das alles legal, aber die Gewoba nutzt die momentane Lage brutal aus.“

Holger Bruns-Kösters