Woran forscht „Wunderfrau“

■ Auf einem zweitägigen Hearing mit Expertinnen wurden all die Ansprüche formuliert, die die künftige feministische Professorin erfüllen soll / Kampf zweier Linien

Die erste feministische Naturwissenschafts-Professorin der BRD ist an der Bremer Universität in Sicht. Zahlreich und widersprüchlich sind die Erwartungen und Sehnsüchte, die sich auf diese geplante Professur richten. Zwei Tage nahmen sich in der vergangen Woche interessierte Bremer Uni-Frauen und -Männer Zeit, um mit neun auswärtigen Naturwissenschaftlerinnen zu beratschlagen, woran und wie die noch zu berufende „Wunderfrau“ feministisch forschen soll. Und was sie an Voraussetzungen und Eigenschaften mitbringen soll. Am Ende des ersten Hearing-Tages schlug die Hamburger Molekularbiologin Regine Reichwein halb scherzhaft die Hände über dem Kopf zusammen: „Nie und nimmer will ich so eine Professur, wenn ich diese Ansprüche sehe. Ich bin froh, daß ich derzeit machen kann, was ich will.“

Zwei unterschiedliche Erwartungshaltungen an die selbstironisch benannte - „Wunderfrau“ kristallisierten sich in der Debatte heraus: Auf der einen Seite diejenigen, denen vor allem an Wissenschaftskritik gelegen ist. Viele anwesende Studentinnen verlangten, daß die neue Professorin ihnen helfen soll, die theoretischen Grundlagen der Naturwissenschaften zu hinterfragen: „Wir verfügen über das jeweilige Fachwissen. Aber wir brauchen Hilfe zur Selbstrefle

xion.“

Andere setzten dagegen: Eine versierte Fachfrau müsse her, mit der nötigen Kompetenz, in die „harte“ experimentelle Forschung einzusteigen, damit diese Forscherin überhaupt eine Chance habe, bei ihren Kollegen „einen Zeh auf den Boden zu kriegen“ und damit Studentinnen in ihr eine Ansprechpartnerin für ihre experimentellen Diplomarbeiten finden könnten. Auch wurden genügend Themen deutlich, denen sich eine solche Forscherin widmen könnte: Allen voran die Gentechnik, widmet sich doch das derzeit bundesweit größte (Männer-)Forschungsprojekt der Biologie dem genauen Aufschlüsseln der menschlichen Gene.An die erwünschte naturwissenschaftliche Fachfrau wurde jedoch über das „harte“ Forschen hinaus auch der Anspruch formuliert, mit halbem Deputat auch noch Wissenschaftskritik zu üben. Die Göttinger Biochemikerin Gerhild Schwoch wandte sich als erste gegen diese „unrealistische“ Überforderung. Aus eigener Erfahrung wisse sie leider sehr gut, daß es einfach unmöglich sei, sich in der „harten“ Forschung durchzusetzen, auch noch die nötigen Drittmittel für Geräte und Mitarbeiterinnen zu acquerieren und zusätzlich dann auch noch Zeit zu finden zur fundierten Wissenschaftskritik. Einige Studentinnen hatten sogar noch wei

tergehende Ansprüche: „Die Frau soll Alltag und Beruf verbinden.“ - „Die Frau soll angebunden (!) bleiben an autonome Frauengruppen.“ - „Die Frau soll angebunden sein an die Geisteswissenschaften.“

Am zweiten Tag der Debatte zeichnete sich ab, daß die Mehr

heit der anwesenden Frauen doch ein Einsehen hatte mit der ersehnten „Wunderfrau“, und ihr nur noch eine Aufgabe zugedenken wollte - die Wissenschaftskritik für immerhin fünf patriarchalisch-naturwissenschaftliche Fachbereiche.

B.D.