: tikradiokritikradiokritikradiokri
■ RB 3: „Kastendiek und Bischoff“, Bremer Familienserie, alle zwei Wochen 20 Minuten
Mißtrauen ist erst mal grundsätzlich angebracht, wenn im Rahmen der Programmstrukturreform Sendungen auf andere Wellen und Zeiten gelegt werden und dies begründet wird mit „veränderten Hörgewohnheiten“, denen man rücksichtsvollerweise Rechnung tragen wolle. Für das „Niederdeutsche Hörspiel“, das seit Jahrzehnten jeden Montag auf der Hansawelle zu hören war und jetzt nach Radio Bremen 3 auf den Samstag nachmittag (15.05) verschoben wurde, gilt das auch, obwohl ich mich da urteilend nicht einzumischen wage: Ich habe es selten gehört und weiß nichts über die Anhänger des „Niederdeutschen Hörspiels“ mitsamt ihren „Hörgewohnheiten.“ Es wird wohl eine eher kleine, plattdeutsch verstehende oder gar sprechende Gemeinde sein, die sich montags aufs „Niederdeutsche“ gefreut hat und sich nun auf den Samstag wird umgewöhnen müssen. Allerdings nicht nur das: Es wird in Zukunft nur noch alle zwei Wochen ein „Niederdeutsches Hörspiel“ geben, aber auch dazu enthalte ich mich ausnahmsweise mal jeden Kommentars und gehe zwanglos über zur Bremer Familienserie „Kastendiek und Bischoff“ von Hans-Helge Ott, die es seit Samstag vierzehntägig im Wechsel mit dem „Niederdeutschen Hörspiel“ geben wird.
Jede Folge dauert nur armselige 20 Minuten, und da muß man sich schon fragen, wie es zugehen soll, daß man einer Familienserie in so großen Abständen, in derart kleinen Häppchen noch mit Interesse folgt. Zumal auch noch andauernd, zum Zeichen des Szenenwechsels, heimatlich -melodiöse Musik erklingt. Aber egal: Geschichten aus der Bremer Neustadt als Hörfunk-Familienserie zu präsentieren, ist gar keine schlechte Idee, und wenn die Personen - wie Herr Kastendiek - tatsächlich, ganz bremisch, sagen: „Ich s -teig ouch ous, un‘ dann bring‘ wir das ouf die Reihe...“ ja, dann freut man sich direkt. Aber mit diesem Herrn Kastendiek samt Frou und Kindern, der Nachbarin Frou Bischoff - mannlos - mit ihrer Tochter und all den anderen, die allein in der ersten Folge oufgetreten sind und allerlei Alltagserlebnisse zu bes-tehen hatten, wird man nicht so richtig glücklich: Es sünd zu viele, von denen manche noch gar nicht zu üdentifizieren waren. Vera, Edda, Bernd, Heino, Simone, die Metzgerin, Frau Bischoff, der Straßenbahnkontrolleur - who is who und wer macht was warum? Verdammichnschiet, so einfach is‘ das nich‘: Einer s-pielt Schello und s-tudiert Soutschiaaalpädagogik; 'ne dschunge Deern will Friseuse werden und sabbelt 'n büschen vornehm: „Was hindert mich zum Beispiel, ins Ausland zu gehen? “. Herr Kastendiek schrammt Frau Bischoffs Auto, und dafür, daß die 'ne plietsche Betriebsrätin ist, braucht sie 'n büschen zu lang, um zu vers-tehen, was Herr Bischoff sagt. Da s -tümmt was nich‘ mit die Dialoge.
„Wange an Wange“ hieß die erste Folge, und „Wange an Wange“ tanzte Herr Kastendiek mit der unbemannten Nachbarin - zu Clydermann-Musik. Wenn das man bloß kein‘ Ehezwüst gibt! Aber viel größere Sorgen macht mir der übernächste Samstag: Da hab ich alles längst wieder vergessen.
Sybille Simon-Zülch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen