Goldregen für die Gastgeber?

Eishockey-Weltmeisterschaft in Schweden: Keine Sensationen an den ersten beiden Tagen / Gretzky fehlt  ■  Aus Stockholm Herbert Neuwirth

Schweden ist eine einzigartig eishockeybegeisterte Nation und hat alles daran gesetzt, die Eishockey-Weltmeisterschaft zu einer runden Sache zu machen. Rund ist auch das Stadion in Stockholm, die „Globe-Arena“, die extra für die WM gebaut wurde. Die sphärische Halle muß nun ihre erste internationale Feuerprobe bestehen. Wie es scheint, mit Erfolg. Nur sechs der 40 WM-Spiele mußten ins Stadion nach Södertälje verlegt werden.

Das Turnier läuft nach dem bekannten Muster: Zuerst spielt jeder gegen jeden. Danach wird in zwei Gruppen gekämpft; Bei den vier Bestplazierten geht es um die Medaillen und die anderen vier Teams spielen um Platz sechs bis acht - und gegen den Abstieg.

Vor eigenem Haus hat sich der Schwedische Eishockeyverband einiges vorgenommen. Dreimal Gold erhofft man sich: für die Organisation, in der Kasse, und nicht zuletzt auf sportlichem Sektor. Das schwedische „Drei-Kronen-Team“ will seinen Titel von der WM '87 in Wien verteidigen und sich erneut die Goldmedaille übers blau-gelbe Trikot hängen. Die ersten beiden Spiele haben die Schweden programmgemäß gewonnen: Mit Verstärkung von sieben Spielern der amerikanischen Profi-Liga (NHL) siegten sie gegen den Abstiegskandidaten Polen (5:1) und gegen die USA (4:2); beide Male jedoch nicht mit der erwarteten Souveränität.

Kugelrunde Arena

Bei der Vorbereitung des Turniers haben die Organisatoren schon viel Lob geerntet. Vor allem die neue, kugelrunde Globe-Arena fasziniert Zuschauer und Aktive. Auch Bundestrainer Xaver Unsinn ist von dem größten sphärischen Bau der Welt beeindruckt: „Dadurch, daß es so steil hochgeht, kommt die Stimmung von den Rängen großartig rüber“, schwärmte er. „Und wenn man bedenkt, daß das eine Mehrzweckhalle ist, muß man sagen: Dieses Stadion ist sehr gut für Eishockey geeignet.“

14.000 Zuschauer haben auf den Rängen Platz. Und die Spiele sind so gut wie ausverkauft. Die schwedischen Fans, die zwar nicht gerade zu den enthusiastischsten der Welt, aber dafür zu den fachkundigsten gehören, sind nicht nur an den Spielen des eigenen Teams interessiert. Mit einem Problem haben allerdings die meisten Eishockey-Anhänger zu kämpfen, die nicht direkt am Ort des Geschehens sein können. Das schwedische Fernsehen hat die Übertragungsrechte an den privaten skandinavischen Satellitenkanal TV 3 verloren und darf alle Spiele nur mit 15 Minuten Zeitverzögerung senden.

Was das Bare betrifft, verdienen sich die Organisatoren eine goldene Nase. Mit umgerechnet vier Millionen Mark Reingewinn rechnet der schwedische Eishockeyverband. Dieses Geld soll dem Nachwuchs im eigenen Land zur Verfügung gestellt werden. Zweimal Gold sind also schon eingeheimst: das organisatorische und das finanzielle - fehlt nur noch das Sportliche.

Ausgeglichene Leistungen

Nach zwei Spieltagen gibt es bislang noch keine Sensation. Eine freudige Überraschung aus bundesdeutscher Sicht war das 3:3 gegen die CSSR. „Ein gerechtes Ergebnis“, wie Xaver Unsinn zufrieden konstatierte. Überraschend auch, daß die acht A-Nationen bisher relativ ausgeglichene Leistungen zeigten. Die Tordifferenzen hielten sich im Rahmen, abgesehen vom 11:0-Sieg Kanadas gegen den Neuling Polen. Kein Team bestach durch absolut drückende Überlegenheit. Ein Faktum, das eine spannende Fortsetzung des Turnieres erwarten läßt.

Das erste Tor der Spiele um Puck und Titelehren schoß der Kölner Dieter Hegen im Eröffnungsspiel gegen die CSSR. Das bundesdeutsche Team präsentierte sich mit dem gewohnten Kampfgeist, hat aber technisch und taktisch stark aufgeholt. Die positivste Veränderung im deutschen Spiel war die clevere Art, Chancen auszunutzen und den Puck kaltschnäuzig ins gegnerische Tor zu drücken. Dabei bekamen die Mannen von Xaver Unsinn gleich zum Auftakt zwei der härtesten Brocken vorgesetzt: Gegen die CSSR ging die Taktik fast auf. Aber auch beim 5:1-Verlust gegen die UdSSR konnte sich der Einsatz des bundesdeutschen Teams sehen lassen.

Der nächste Gegner am heutigen Dienstag abend ist Titelverteidiger Schweden. Besonders fürchten sich die Spieler des Weltmeisters vor der ersten Linie der Deutschen: Udo Kießling, Dieter Hegen, Gerhard Truntschka, Helmut Steiger und Andreas Niederberger. Die „Oldies“ der deutschen Mannschaft wurden immer wieder mit dem Prädikat „Weltklasse“ versehen - genau wie der altgediente Torhüter Karl Friesen. Hegen, Truntschka, Kießling und Co. gelten in Schweden allgemein als „Stolpersteine“ für die Favoritenteams des WM -Turnieres! Medaillen traut man den deutschen Spielern allerdings nicht zu. Und auch Xaver Unsinn rechnet mit Platz fünf oder sechs.

Nicht erfüllt hat sich die Hoffnung der schwedischen Fans auf das Erscheinen des kanadischen Eishockey-Idols Wayne Gretzky. Im Viertelfinal-Play-Off der NHL setzten sich Gretzkys „Los Angeles Kings“ gegen seinen ehemaligen Club, die „Edmonton Oilers“, durch. Zum Trost reisen dafür aus den Reihen der unterlegenen „Oilers“ Torwart-Denkmal Grant Fuhr sowie die Stürmer Mark Messier und Glenn Anderson nach Stockholm. Auch Steve Yzerman von den „Detroit Red Wings“ und Scott Stevens (Washington Capitals) verstärken das kanadische Team.

Scharfe Kritik am schwedischen Eishockeyfieber kommt nur aus einer Ecke in Schweden: die sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaften sind sauer, weil die Finalspiele am 1. Mai zeitlich mit den Maikundgebungen kollidieren. Das ist zwar schon seit fast einem Jahr bekannt, doch die schwedischen Gewerkschafter und Sozialdemokraten merkten es erst kurz vor dem Anpfiff der WM. Wenn man an die Eishockey -Begeisterung in Schweden denkt, dann könnte dieser Konkurrent den Tag der Arbeiterbewegung in puncto Publikumsinteresse wirklich stark gefährden - und das ausgerechnet zum 100jährigen Jubiläum der sozialdemokratischen Partei in Schweden!