Plebiszit in Uruguay für Amnestie der Militärs

Die schweigende Mehrheit hat gesiegt / Mehr als die Hälfte der Bevölkerung verlangt keine Aufklärung der Verbrechen während der Militärdiktatur / Folterer und Mörder endgültig vor Strafverfolgung sicher / Regierungspartei feiert neue „Schritte zur Demokratie“  ■  Aus Montevideo Gaby Weber

Das Volk von Uruguay hat sich entschieden, die Verbrechen der Diktatur nicht aufzuklären und sich mit den Mördern und Folterern auf ein friedliches Zusammenleben einzurichten. 58 Prozent der Wahlpflichtigen stimmten am Sonntag in einem Plebiszit für die Beibehaltung des „Gesetzes über die Hinfälligkeit der Strafabsicht des Staates“, 42 Prozent stimmten für die Weiterführung der Prozesse gegen mutmaßliche Folterer und Mörder.

Während in Montevideo das „voto verde“ - für die Annullierung der Amnestie - mit 54 Prozent gewann, befürworteten im Landesinneren zwei Drittel die Amnestie.

Unverhohlene Freude über den Wahlausgang zeigten die konservativen Politiker der beiden traditionellen Parteien, der Nationalen und der regierenden Colorado-Partei. Vom „Ende des Übergangs zur Demokratie“ ist die Rede, von der „Lösung des Friedens“ und: „Morgen sind wir alle nur noch Uruguayer“.

Der Innenminister strahlt: „Nun hat die Geschichte den ihr zustehenden Platz eingenommen: in den Händen der Geschichtsschreiber.“ Die schweigende Mehrheit hat verfügt, daß die Ermittlungsakten geschlossen bleiben, die Folter und Mordvorwürfe nicht untersucht werden und das Schicksal der immer noch entführten Kinder der Verschwundenen im dunkeln bleibt. „Morgen werden wir wieder unsere alltägliche Arbeit aufnehmen“, sprach Präsident Julio Maria Sanguinetti im Fernsehen, „in Frieden und Ruhe.“

Im Büro der „Kommission pro Referendum“, die zwei Jahre lang an der Kampagne gearbeitet hat, ist der große Katzenjammer ausgebrochen. Man werde das Ergebnis respektieren, hieß es, aber eine offizielle Interpretation des Wahlergebnisse ist bislang nicht abgegeben worden.

Anders als im vergangenen Oktober in Chile fand die Volksabstimmung nicht unter den Bedingungen einer Diktatur statt. Es herrscht Presse- und Meinungsfreiheit, und die Sicherheitskräfte sind seit vier Jahren gänzlich aus dem Stadtbild verschwunden. Die Menschen werden auch nicht wie im benachbarten Argentinien durch Putschdrohungen und Offiziersrevolten ständig daran erinnert, daß die Militärs nach wie vor an die Macht drängen. Mit der Angst wurde in Uruguay viel subtiler umgegangen. In 12 Jahren Militärdiktatur (1972-1985) lernten die Urugayer zu kuschen. Und Julio Maria Sanguinetti, der, ähnlich wie Adolfo Suarez in der post-Franco-Zeit Spaniens, das Volk zur Demokratie führte, hat sich wie eine Vaterfigur profilieren können.

Mitglieder der Kommission für das Plebiszit führten in persönlichen Gesprächen in der Nacht der Volksabstimmung ihre Niederlage darauf zurück, daß die Regierung Unsummen in ihre aggressive Kampagne gesteckt, die Fernsehwerbung zensuriert und mit dem Ausmalen von Bürgerkriegszuständen mit der Angst gespielt habe. „Die Regierung gewann wegen ihrer aggressiven Kampagne, indem sie Terror und Schrecken androhte, falls die Amnestiegegner gewinnen würden“, sagt der KP-Generalsekretär Jaime Perez, das Thema sei damit nicht vom Tisch, obwohl man den Willen des Volkes respektieren werde.

Man habe nicht verhindern können, so hieß es bei der „Kommission“, daß in den letzten Wochen aus einer moralisch -ethischen Frage eine Machtfrage der Parteien gemacht wurde.

Obwohl zahlreiche Politiker der traditionellen Parteien zur „voto verde“, der Abgabe des grünen Stimmzettels gegen die Amnestie, aufgerufen haben, verbreitete die Regierungspropaganda, daß, wer gegen die Amnestie stimme, gegen die Colorados und die Nationale Partei agiere.

„Wir werden das Ergebnis respektieren, aber daß über 40 Prozent die Amnestie ablehnen, darf die Regierung nicht ignorieren“, sagte in der Nacht der Niederlage die Präsidentin der „Kommission pro Referendum“, Matilde Gutierrez Ruiz, mit Tränen in den Augen, „obwohl eine Strafverfolgung nunmehr ausgeschlossen ist, darf sich die massive Verletzung der Menschenrechte in unserem Land nie mehr wiederholen.“