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Boykott gegen Einheitsbrei

48 DDR-Bürger kritisieren Kommunalwahlen im Mai / (Siehe auch unseren Bericht auf Seite 2)  ■ D O K U M E N T A T I O N

(...)

-Das Wahlgesetz der DDR sieht keine Entscheidungen zwischen Kandidaten mit unterschiedlichen politischen Konzeptionen vor. Dem Wähler ist einzig die Möglichkeit gegeben, den Kandidaten der Einheitsliste sein Vertrauen auszusprechen bzw. gegen sie zu stimmen. Selbst diese eingeschränkte Wahlmöglichkeit ist in der Praxis nicht vorgesehen: Weder die Stimmzettel sehen eine solche Möglichkeit vor, noch wird der Wähler über verschiedene Möglichkeiten seines Wahlvberhaltens aufgeklärt. Die Benutzung der Wahlkabinen ist nicht obligatorisch, so daß sich bei jedem Wähler, der sie benutzt, nahelegt, daß er gegen die Kandidaten stimmt. Dieses Wahlverfahren hat zur Folge, daß eine große Zahl von Bürgern ohne innere Überzeugung halbherzige Loyalitätserklärungen abgibt.

-Die Versuche vieler Einzelner und Gruppen, sich aktiv in die Vorbereitung der Wahlen einzubringen, zeigen entmutigende Ergebnisse: Versuche von Gruppen, eigene Kandidaten aufzustellen oder zu unterstützen, wurden blockiert, Bemühungen, Anliegen auf öffentlichen Veranstaltungen einzubringen, behindert. Zahlreichen Bürgern wurde der Zutritt zu angeblich öffentlichen Veranstaltungen zu Wahl verwehrt. Wir wissen von vielen vergleichbaren Erfahrungen auch außerhalb von Wahlen: Bürger dieses Landes, die ihre kritischen Anfragen an politische Entscheidungen in der DDR offen stellen, werden verdächtigt, ausgegrenzt oder bedroht. Die Wahlen in der DDR sehen wir vor diesem Hintergrund nicht als die Ursache, sondern als ein Symptom politischer Mißstände.

-Die Ergebnisse der Wahlen in der DDR dienen dazu, die tatsächlichen Verhältnisse zu verschleiern und ein Einverständnis innerhalb der Bevölkerung mit der Politik der DDR-Regierung vorzutäuschen, das immer weniger gegeben ist. DIe Offenlegung tatsächlich vorhandener Meinungs- und Mehrheitsverhältnisse bedeutet eine notwendige Voraussetzung für den breiten innergesellschaftlichen Dialog, den wir anstreben. Aus diesen Gründen erklären wir, daß wir an den

Kommunalwahlen am 7. Mai nicht teilnehmen werden. (...)

(Anm. der Redaktion: Die Erklärung wurde leicht gekürzt.)

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