: SDI-Standbein Europa
■ Eine Abwehrrakete für die Bundeswehr
Die Bundesregierung hat noch nicht Stellung bezogen zur Meldung des US-Magazins 'Defense News‘ über eine Vertragsunterzeichnung, doch spricht alles für die Richtigkeit der veröffentlichten Information. Schließlich geht es nicht um die Kreation einer ganz neuen Entwicklung, sondern um die Kontinuität einer verhängnisvollen Politik. Die jetzt beschlossene Entwicklung einer Anti-Raketen-Rakete ist bereits Anfang der 80er Jahre eingeleitet worden.
Als Bush im Januar dieses Jahres sein Amt antrat, hieß es, die US-Sicherheits- und Außenpolitik würde nun einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen, bevor die neue Administration erste Entscheidungen treffen wird. Das Patriot-Projekt einer am Boden stationierten Raketenabwehr ist nur ein Beispiel dafür, daß eine Revision nicht stattfindet. Reagans SDI-Vorstellung wurde nicht politisch, sondern technisch und ökonomisch beerdigt.
Die pragmatische Variante heißt nun: SDI vom Weltraum auf die Erde. Statt Laserkanonen im All bodengestützte Raketenabwehrsysteme. Sie wurden zwar durch den ABM-Vertrag von 1972 für ballistische Raketen verboten, entwickelt werden sollen sie jetzt dennoch. Als ersten Schritt bauen die USA und die Bundesrepublik nun ein Raketenabwehrsystem gegen taktische Raketen - formal angeblich nicht vertragswidrig. Das mag stimmen, zeigt aber dennoch in fataler Weise, in welche Richtung der Zug abgeht.
Der neue Pragmatismus in Washington ergänzt sich bestens mit der sicherheitspolitischen Phantasielosigkeit der Bundesregierung und der übrigen Nato-Länder. Die Aufrüstung ist bereits soweit festgezurrt, daß von dem „neuen“ Nato -Gesamtkonzept, das Ende Mai im Rahmen des Gipfels der Öffentlichkeit präsentiert werden soll, nichts neues zu erwarten ist. Im Gegenteil: Eine Entwicklung hin zu einem europäischen SDI-System muß auf sowjetischer Seite Reaktionen provozieren, die den gesamten Abrüstungsprozeß gefährden können.
Jürgen Gottschlich
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