Euroguollasch-Debatte

■ Betr.: "Entfesselter Euro-Kapitalismus", taz vom 15.4.89

betr.: „Entfesselter Euro-Kapitalismus“, taz vom 15.4.89

Entgegen den Thesen Hickels, der den Eurobinnenmarkt -Betreibern Entfesselungskünste unterstellt und die EG als gemeinsamen (Volksgemeinschaften?) Wirtschafts- und Lebensraum für sinnvoll hält und Illusionen in die Beibehaltung des Kapitalismus und aller kultureller Unterschiede verbreitet, ja sogar noch Fortschritte (sozial und ökologisch) im Rahmen des bestehenden Systems erhofft, natürlich unter Leugnung der zerstörerischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus, denn er meint reformeifrig Unternehmenskonzentrationen verhindern zu müssen (die ökonomisch betrachtet, entgegen seiner Meinung, einen Fortschritt darstellen!), wollen wir bemerken, daß

-die Perspektive einer sozialistischen Revolution Hickel völlig fern liegt (die einzige Alternative zur kapitalistischen EG wäre jedoch die Realisierung der Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas). Hickel vertritt jedoch eine durch und durch nationalistische/regionalistische Perspektive. Statt durch die Errichtung einer weltweit geplanten Wirtschaft die Errungenschaften der fortgeschrittensten kapitalistischen Länder zu nutzen, soll der kapitalistische Weltmarkt bestehen bleiben und die unterentwickelt gehaltenen Länder auf ihre Ressourcen beschränkt werden,

-der Euro-Kapitalismus (entgegen Hickel) nicht entfesselt wird, sondern mit all seiner reaktionären Zerstörungswut an seine Grenzen (auch die der Nationalstaaten) stößt: Zusammenbruch des Marktes durch Angebotsschock, Widerstand der Arbeiterbewegung gegen die Handelskriegs-, Kriegs- und Fachismusvorbereitungen der Kapitalisten und gegen Angriffe der kapitalistischen Regierungen auf demokratische und soziale Errungenschaften, und nicht zuletzt die Konkurrenz der nationalen Kapitalien mit ihren Nationalstaaten in Europa und die Konkurrenz zwischen europäischen, amerikanischen und japanischen Imperialisten.

Gesundbeten hilft da keineswegs. Der europäische Binnenmarkt bedeutet nicht die Einheit Europas, im Gegenteil schafft er lediglich die Arena, in der die mächtigsten europäischen Konzerne und vor allem die Banken, die in diesem Jahrhundert bereits zwei Weltkriege gegeneinander führten, in denen Millionen von Menschen abgeschlachtet wurden, erneut um die Vorherrschaft über Europa und auf dem Weltmarkt kämpfen, auf dem Rücken von Millionen Arbeitern und ihren Familien.

Der Euro-Binnenmarkt ist das entfesselte Parkett der Multis und Imperialisten, des Kapitalismus, der in seinem letzten Stadium im Todeskrampf an seine Grenzen stößt.

Bodo, GegenBILD/BZstelle, Berlin 41