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Was tat Heinrich Weichselgartner in Pakistan?

Das Münchner Max-Planck-Institut ist in illegale Nuklearexporte nach Pakistan verwickelt / Hanauer Staatsanwaltschaft rechnet mit einer Anklage gegen den Ex-Mitarbeiter Weichselgartner / Heute tagt der Bonner Untersuchungsausschuß zum Thema Nuklearexporte  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Am Dienstag abend hatte es das Münchner Max-Planck-Institut für Plasmaphysik plötzlich eilig: Seinem langjährigen Mitarbeiter Heinrich Weichselgartner, Leiter des Tritium -Labors, wurde eine außerordentliche Kündigung zugestellt. Vier Monate hatte man sich Zeit gelassen: Bereits vor Weihnachten schreckte die Hanauer Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit durch die Mitteilung auf, in großem Umfang seien illegale Nuklearexporte nach Pakistan gegangen. Durch die anschließende Libyen-Affäre wurde das Thema schnell aus den Schlagzeilen verdrängt. Doch steht längst fest, daß Heinrich Weichselgartner eine zentrale Rolle in der Pakistan -Connection spielt. Dienstag abend, 36 Stunden, bevor heute die Hanauer Staatsanwälte vor dem Bonner Atom -Untersuchungsausschuß über ihre Ermittlungen berichten, setzte das Max-Planck-Institut seinem Mitarbeiter endlich den Stuhl vor die Tür.

Das Strickmuster im Pakistan-Geschäft ähnelt dem in der Libyen-Affäre, auch wenn griffige Schlagworte fehlen. Trotz zigfacher diplomatischer Interventionen der USA gegen bundesdeutsche Atomgeschäfte mit Pakistan konnten hessische Firmen zwischen 1984 und 1987 Nukleargüter im Wert von rund 20 Milionen Mark nach Pakistan verschieben.

Der für militärische Zwecke bedeutendste Teil ist dabei eine Tritium-Sammel- und Reinigungsanlage, die von den Firmen „Neue Technologien GmbH“ (NTG) und „Phsyikalisch -Technische Beratung“ geliefert wurde. Tritium dient zur Sprengkraftverstärkung in Atombomben. Auf Grundlage von Geheimdienstquellen wird vermutet, daß die Anlage für einen bisher geheimgehaltenen pakistanischen Reaktor bestimmt sein könnte, der außerhalb der internationalen Kontrollen stünde. Für den Hanauer Oberstaatsanwalt Farwick macht jedenfalls eine friedliche Nutzung der Tritium-Anlage keinen Sinn.

Das Know-how holte sich die Gelnhausener Nuklear-Klitsche NTG vom renommierten Max-Planck-Institut in Garching bei München. Nach Darstellung der Institutsleitung hat Mitarbeiter Weichselgartner seinen Arbeitgeber dabei „hintergangen“. Der Tritium-Experte habe zwar im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit die NTG bei der Verwertung eines von ihm entwickelten Tritium-Entsorgungsverfahren beraten und den Bau einer derartigen harmlosen Anlage betreut.

Doch von der Lieferung der militärischen brisanten Sammelanlage, um die es der Staatsanwaltschaft geht, will Institutsdirektor Professor Pinkau nichts gewußt haben. Für dieses Projekt hatte Weichselgartner eine eigene Firma gegründet. Zwar hat Oberstaatsanwalt Farwick bisher keine Indizien, daß das Institut selbst direkt in den Pakistan -Deal verwickelt wäre - dennoch stinkt hier einiges. Institutsleiter Pinkau verfolgte zunächst die Linie, die ganze Angelegenheit herunterzuspielen. Nach einem wochenlangen Briefwechsel mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Harald Schäfer merkte Pinkau offensichtlich, daß die strafrechtlichen Vorwürfe gegen seinen Mitarbeiter doch ziemlich massiv sind. Vergangene Woche reiste Pinkau extra nach Bonn, um einer Handvoll Journalisten seine Rückzugsstrategie plausibel zu machen: Doch die Differenzierung zwischen den genehmigten und nicht -genehmigten „Nebentätigkeiten“ von Pinkaus Tritium-Experten kam nicht ausreichend rüber. Selbst die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ titelte plump: „Deutsche Hilfe für pakistanische Atomwaffen.“

Nun ließ sich Weichselgartner für das Institut anscheinend nicht mehr halten. Professor Pinkau soll übrigens als möglicher Präsident der Max-Planck-Gesellschaft im Gespräch sein. Merkwürdig mutet weiterhin an, daß eine Pakistanreise, die Weichselgartner noch 1988 machen wollte, vom Institut nicht mehr genehmigt worden sein soll - aufgrund von Bedenken des Bonner Forschungsministeriums. Wußte die Riesenhuber-Behörde von dem Pakistan-Deal, bevor die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufnahm? Die Firma NTG war jedenfalls den Bonner Ministerien schon früher wohlbekannt. Und wußte das Institut wirklich nichts?

Wie in der Libyen-Affäre steht die Bundesregierung nicht gerade an vorderster Stelle der Aufklärungsfront. Vier Monate, nachdem die Staatsanwaltschaft mit dem Sachverhalt an die Öffentlichkeit ging, hat Bonn immer noch keine Stellungnahme abgegeben, ob durch die bombenträchtigen Pakistan-Exporte die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik gestört sind. Dies ist aber die formale Voraussetzung für Ermittlungen aufgrund des Außenwirtschaftgesetzes. Sind der Bundesregierung die Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht „gerichtsfest“ genug?

Unklar ist vorerst noch, welche weiteren Firmen in illegale Nukleargeschäfte mit Pakistan verstrickt sind. Über ein Konto bei der pakistanischen Nationalbank in Frankfurt waren die Zollfahnder auf die Namen vieler guter Bekannter gestoßen: die Firmen Siemens, Degussa, Leyboldt-Heraeus, Karl Kolb GmbH... Oberstaatsanwalt Farwick wird den Abgeordneten im Untersuchungsausschuß heute keinen neuen Knüller mitteilen können, doch er freut sich: „Wir sind sehr schön vorangekommen.“ Heinrich Weichselgartner und die hessischen Nuklearhändler werden ab Herbst mit einer Anklage rechnen können.

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