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Agitprop at its best - gegen die Mullahs

Konflikt um die „Satanischen Verse“ Salman Rushdies dramatisiert / Premiere der „Iranischen Nächte“ in London  ■  Aus London Rolf Paasch

Es war ein selbst für London ungewöhnliches Theaterereignis. Schon vor der Aufführung debattierte das Publikum rege auf dem Bürgersteig vor dem „Royal Court Theatre“ über das noch nicht Gesehene. Iranian Nights, so die Co-Autoren Howard Brenton und Tariq Ali, sei ein „Nadelstich für die Redefreiheit, der vorsichtige Versuch, das Recht auf freie Meinungsäußerung auch in einem Klima der Angst zu praktizieren“. Aber die Rushdie-Affäre als aktuelles Bühnenstück, das Schicksal des bekanntesten Poeten unserer Tage als Geschichte aus Tausendundeiner Nacht verpackt, würde das gehen? Es ging. Zum Beispiel in Geschichte Nr. 874, in der Scheherezade ihrem Kalifen eine Kurzversion der jüngsten iranischen Geschichte gibt, kommentiert von Omar Khayyam, dem Dichter: Sie erzählt vom Kaiser von Persien, einem Tyrannen und Folterer, dem der Satan alle Wünsche gewährte: „Drei Millionen Schwerter, eine Million Pfeile und 28 Cadillacs. Dafür bekam der Satan ein Ölmonopol.“ Sie erzählt von jenem Heiligen Mann, der die Ereignisse in Persien aus der Ferne verfolgte und seinen Priestern auftrug: „Reißt seinen Palast nieder, zerbrecht seine Schwerter, stehlt seine Pfeile und versteckt seine Cadillacs.“ Und davon, wie der senile, kranke Mann nach der Machtübernahme und nach dem verlorenen Krieg nach einem Weg suchte, sein Volk weiter an sich zu binden: „Da kam von weit her ein Bote mit schlechten Nachrichten. Auf einer kleinen, vom Teufel beherrschten Insel, wo zwei Königinnen (Elisabeth II und Maggie I., d.Red.) auf einem einzigen Thron saßen, hatte ein Poet, der von einer alten Familie aus dem Osten abstammte, ein Gedicht geschrieben. Dieser blasphemische Schurke. 'Aha‘, sagt da der Kalif. 'Theologie. Köpfe werden rollen. Und worin besteht denn die Blasphemie?‘ 'Das weiß keiner‘, antwortet ihm Scheherezade, 'es war ein Buch, das niemand zu lesen vermochte.'“

„Das Stück haben wir in fünf Tagen geschrieben“, entschuldigen die Autoren ihre dramatische Instant -Produktion. Dennoch, durch plötzliche Ausflüge in die Farce - als z.B. der heilige Mann den Plastikpinguin des Poeten hinrichten läßt - gelingt es Brenton und Ali immer wieder, die absurd-grotesken Dimensionen der Rushdie-Affäre, die Unvereinbarkeit von spirituell hochgehaltener Meinungsfreiheit und islamischer Realpolitik offenzulegen. Brenton, dem erfolgreichen und umstrittenen Dramatiker, und Ali, dem ehemaligen Studentenrebellen und Fernsehproduzenten für Multikulturelles, geht es in den Iranischen Nächten nicht so sehr um die Persona non grata Salman Rushdie, denn um die Konflikte und Probleme hinter dem Fall. Im ersten Teil der 45minütigen Bühnensketches ist es Omar Khayyam, der mit seinen Mohammed-Zitaten auf den Unterschied zwischen dem Islam des Koran und dem Islam der Mullahs hinweist. Und später - als sich die Handlung ins nordenglische Bradford verlagert und der Kalif in einen weisen, aber verwestlichten englischen Moslem verwandelt hat - dient der Konflikt mit seinem Sohn dazu, hier in England an den Zusammenhang zwischen westlichem Rassismus und islamischem Fundamentalismus zu erinnern. Nach dem Vorhang gab das Premierenpublikum draußen vor Reportern und Kritikern durchweg positive Kommentare ab. Und wenn sich einige weigerten, vor die Kameras zu treten oder ihre Namen in die Steno-Blöcke zu diktieren, dann zeigte dies nur, wie wichtig ein Stück wie die Iranischen Nächte in der gegenwärtigen Situation ist. Agitprop at its best.

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