Schmiermittel für Apartheid

„Ich habe gehört, Shell sei der Größte, was Menschenrechte betrifft. Ich bin froh, das zu hören, denn wir Schwarzen in Südafrika wußten das nicht. Das einzige, was wir wissen, ist, daß Militärfahrzeuge mit Shell-Benzin betankt in die Townships fahren und unsere Leute terrorisieren. Man darf das nicht zulassen. Man darf auch nicht zulassen, daß südafrikanische Flugzeuge mit Shell im Tank Menschen in Mosambik und Angola töten. Shell muß sich aus Südafrika zurückziehen. Lieber heute als morgen.“ Dr.Allan Boesek (ANC) formuliert die Losung der Anti-Shell-Kampagne: Wer Shell tankt, tankt Apartheid.

Der britisch-niederländische Konzern ist mit 1,5 Milliarden Mark jährlich (1988) der größte ausländische Investor im Rassistenstaat. Südafrika verfügt über keine eigenen Erdölvorräte. Die Abhängigkeit von Ölimporten ist die wirtschaftliche Achillesferse des Landes. Shell hält 18 Prozent der Ölversorgung in Händen. Mitte der 70er Jahre einigten sich die OPEC-Länder auf ein Ölembargo gegen den Apartheidstaat. Einige Jahre später folgten die Vereinten Nationen mit einem freiwilligen Lieferstopp. Shell brach systematisch das Embargo - und profitierte. 1980 verdiente der Öl-Gigant allein an Sonderprämien, die Südafrika für den treuen Importeur ausschüttete, 300 Millionen Mark.

Auch in der ölverwertenden Industrie hält Shell eine Schlüsselposition inne. Die SAPREF-Raffinerie in Durban, die größte auf dem afrikanischen Kontinent, die zu je 50 Prozent Shell und BP gehört, verarbeitet Öl zu Benzin, Flugzeugbrennstoff, Petroleum, Diesel- und Heizöl und Teerprodukten. 800.000 Liter Brennstoff liefert Shell täglich an Südafrika, 800.000 Liter, die die Tanks von Panzern und Düsenjägern, Polizeitrucks, Militärjeeps und Marineschiffen speisen.

Shell betankt nicht nur Militärfahrzeuge, Shell kooperiert direkt mit der südafrikanischen Waffenindustrie. Europas größter Konzern fördert in Pering Zink-Blei-Erze und in Upington Wolfram-Zinn-Erze. Wolfram dient als harte Metallegierung der Waffenherstellung.

1985 entdeckten Umweltorganisationen, daß Shell Südafrika Dieldrin in der Chemiefabrik Durban produziert und in verschiedene Nachbarländer exportiert. Dieldrin ist der Nachfolger von DDT auf dem Pestizidmarkt. Der Gebrauch des hochgiftigen Pestizids ist nahezu in allen westlichen Ländern und in Südafrika verboten.

Shells zweites ökonomisches Standbein im Land ist nach dem Ölimport der Kohleexport. Kohle, das schwarze Gold Südafrikas, ist der zweitgrößte Devisenbringer des Landes. 1987 führte Shell insgesamt 7,3 Millionen Tonnen Kohle außer Landes. Das sind 20 Prozent des südafrikanischen Kohleexports. Der Shell-Konzern ist für das Apartheidsystem ein Garant für ökonomisches Wachstum. Als multinationaler Konzern ist er Garant für Kapitalzufuhr, Absatzerfolg, Know -how und Technologietransfer mit den Firmen der Royal Dutch/Shell-Gruppe weltweit. Shell sucht immer, sein Image aus dem Schatten der Apartheid zu holen. Die PR-Abteilung der Shell Südafrika wirbt mit demokratischen Arbeitsbedingungen, gibt sich das Image des „guten Vorbilds“, des „guten Vaters“ in Südafrika. Doch 1985 wurden nach verbotenen Trauerfeierlichkeiten für zwei verunglückte Kollegen zwei Funktionäre der Bergarbeitergewerkschaft NUM entlassen. Die Arbeiter traten in einen fünftägigen Proteststreik. Shell konterte mit Entlassungen von 130 Arbeitern, Einsatz der Minenpolizei und der Deportation schwarzer Arbeiter. „Es ist nicht allein Shells Öllieferung an Militär und Polizei oder ihre Unterstützung der Apartheidökonomie oder ihre unsoziale Arbeitspolitik; es sind alle diese Faktoren zusammen, die viele dazu gebracht haben, Shells Rückzug aus Südafrika zu fordern“, erklärt das Niederländische Anti-Shell-Komitee „Shell uit Zuid-Afrika“ (SUZA).

Lange koloniale Tradition

Die Royal Dutch/Shell-Gruppe steht in einer langen kolonialen Tradition. Der Konzern ist ein Uralt-Imperialist aus dem Bilderbuch. Während der Indochina-Kriege errichtete Shell auf Sumatra und Atjeh (heute Indonesien) ein rigides System von Rassentrennung und Zwangsarbeit. Erst Ende der 40er Jahre endete der niederländische Kolonialkrieg im Gebiet des heutigen Indonesien. Unter lebensgefährlichen Bedingungen legten einheimische Arbeiter, ein Großteil als Kriegsgefangene zwangsrekrutiert, Ölleitungen durch Morastlandschaft. In den Porduktionsanlagen von Shell waren sie den gesundheitsschädigenden Benzingasen dauernd ausgesetzt. 1915 verlegte Shell als Reaktion auf die zunehmende politische Instabilität in Venezuela und Mexiko seine Raffinerien auf die Karibikinsel Cura?ao, Teil der damaligen „Niederländischen Antillen“. Shell avancierte zum größten Grundbesitzer der Insel und zerstörte die bäuerliche Subsistenzwirtschaft. Die von ihrem Land vertriebenen Bauern waren gezwungen, bei minimaler Entlohnung in der Shell -Raffinerie zu arbeiten. Der enorme Wasserverbrauch der Produktionsanlage senkte den Grundwasserspiegel und schädigte so ein zweites Mal die einheimische Landwirtschaft: Der Boden trocknete aus. 1984 zog sich Shell aus Cura?ao zurück. Seit Ende der 60er Jahre war das politische Klima von wiederholten Aufständen geprägt. Die Gewinnquote sank kontinuierlich. Der britisch -niederländische Multi ist der größte Saatgutproduzent der Welt. Seit Jahren arbeitet der Konzern in der Biotechnologie und versorgt den armen Teil der Welt mit Hybrid-Saat für die wichtigsten Nutzpflanzen Weizen, Mais, Soja, und für Gerste, Sonnenblumen und diverse Gemüsesorten. Shell verkauft im Doppelpack: Hybrid-Saat plus Pestizid. Alle Jahre wieder. Die angebotene Pflanze ist per DNA-Rekombination nur gegen Shell-Pestizid immun.

In der Agrochemie rangiert Shell mit einem Umsatz von 813 Millionen Dollar direkt hinter Bayer, Ciba-Geigy und Monsanto. Shell begann in den 30er Jahren mit der Pestizidproduktion. Die Niederlande tragen noch heute die gesundheitlichen und ökologischen Altlasten: In den 50er Jahren erlitten Arbeiter in der Produktionsstätte Pernis Krämpfe und Vergiftungserscheinungen. Seit Jahren wird Boden unter ehemaligen Werksgeländen abgetragen, werden ganze Neubausiedlungen auf ehemaligen Fabrikgeländen wieder abgerissen.

Katja Diefenbach/Corinna Gekeler