: SCHLÄFERSTÜNDCHEN
(III nach 9, N 3, Freitag, 22 Uhr)Nun, liebe Leute, gebt fein acht - das Sandmännchen hat euch etwas mitgebracht: Drei Moderatoren und etliche Gäste im Halbschlafzustand sind von Radio Bremen wieder einmal ausgesendet worden, die nördliche Bundesrepublik rezeptfrei zu betäuben. Talkshow nennt sich der Fluch, der auf den Mitwirkenden und dem Publikum seit langem lastet, und staunend fragt man sich nur noch: Wo kriegen die all diese verschnarchten Gäste bloß immer her? Und wie können es die Moderatoren wagen, die Gäste, deren dickfellige Selbststilisierung man in die Mangel nehmen müßte - wie Alfred Mechtersheimer, der sich als mutiger Einzelkämpfer gegen das „Feindbild Ghaddafi“ sehen will -, so öd wie blöd daherquatschen zu lassen?
Renee Zucker, Michael Geyer, Wolfgang Menge - in Lustlosigkeit sind alle drei versunken. Was soll man aber auch anfangen mit einer Frau wie Eva Roland-Schellack, die sich Buch-stabierend an „Die Frau über 40 wendet“, jene gesellschaftlich bedeutende Gruppe, die es, wie Eva Roland -Schellack, müde ist, sich am heimischen Swimmingpool zu räkeln und nun nach der Selbstverwirklichung im Berufsleben strebt, weil sie „ihren Beitrag zum staatsbürgerlichen Wohlbefinden des ganzen Volkes geleistet hat“. Und dann Renan Demirkan, die Serien-Reporterin auf dem Weg in die Popularität, von Beruf außerdem „temperamentvoll und politisch engagiert“, darüberhinaus auch noch - es wird einem wirklich nichts erspart - so gestenreich wie stimmlos singend. Oder die netten „Knobi-Bonbons“, das eher herzensgute als bösartige türkische Kabarett in deutscher Sprache.
Und auch der Kelch „IG-Medien“ aus der Sicht des Funktionärs Detlef Hensche ging nicht an uns vorbei. Bei Hensche - wie bei Mechtersheimer - waren die Moderatoren nicht Willens oder in der Lage, auch nur das kleinste Fitzelchen an Information zu geben: Wolkig und blasenhaft wurden Insider-Begriffe hin- und hergeschoben, wurde von „der Report-Sendung“ geredet, die gewiß nicht jeder gesehen hat, über die man aber „jetzt nicht weiter reden“ wollte. Schließlich brachte noch Michael Geyer die „Verblödungstendenzen“ der Privaten ins Gespräch und fragte spöttisch, was die IG-Medien dagegen zu tun gedenke. Das freilich interessiert uns Blödiane, die wir Talkshows wie „III nach 9“ gewohnt sind, vorläufig nicht.
Sybille Simon-Zülch
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