piwik no script img

Sandinisten lockern Medienbeschränkungen

Nicaragua verabschiedet neues Mediengesetz: keine Vorzensur, keine sexistische Werbung, kein Privatfernsehen / Präsident Ortega trat dreiwöchige Reise durch zehn westeuropäische Staaten an / Nicaragua braucht 250 Millionen US-Dollar für seine Wirtschaft  ■  Aus Managua Michael Rediske

Bevor Daniel Ortega am Samstag in die Maschine der Interflug stieg - eine kostenlose Leihgabe der DDR-Regierung für seine dreiwöchige Westeuropareise, die ihn am 8. Mai auch nach Bonn führen wird - mußte er noch in aller Eile ein Medien und ein Wahlgesetz unterzeichnen sowie einen Umschwung in der Wirtschaftspolitik verkünden: Nach einem Jahr rigidem Sparkurs wird es wieder Subventionen geben. Nicht für Verbraucher, wohl aber für Landwirte, die bisher wenig Neigung gezeigt hatten, vor der bald beginnenden Regenzeit Mais, Bohnen und Baumwolle auszusäen.

Das modifizierte Wahlgesetz war schon am Dienstag verabschiedet worden (taz vom 20.4.). Damit das Mediengesetz noch rechtzeitig fertig wurde, mußte die Nationalversammlung am Freitag bis abends um halb zehn Überstunden machen.

Ortega will aus Westeuropa für 250 Millionen Dollar Kredite mitbringen. Schweden will laut Ortega im Mai eine Spenderkonferenz ausrichten, bei der die Viertelmilliarde US -Dollar zusammengebracht werden soll. Vor allem die Regierung Kohl wird Ortega bei seinem Aufenthalt in Bonn zur Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe zu bringen versuchen. Ob ihm das gelingt, hängt vom politischen Klima ab. Und deshalb war der nicaraguanische Regierungschef peinlich genau darauf bedacht, eine Zusage einzuhalten, die er gegenüber den anderen Staatspräsidenten Zentralamerikas gemacht hat: bis zum 25. April würden drei neu Gesetze verkündet.

Das erste, schon im März verabschiedet, war ein Amnestiegesetz, bei dem die meisten FSLN-Abgeordneten sich nur widerwillig der Fraktionsdisziplin gebeugt hatten: Bis auf 39 strittige Fälle sind seitdem alle rund 1.800 wegen Menschenrechtsverbrechen verurteilten Somoza-Soldaten freigelassen worden. Die Opposition hatte mit der Amnestie wenig Probleme, dafür schrie sie nach der Verabschiedung des zweiten Gesetzes, des Wahlgesetzes, laut auf: „Das gibt einen Wahlbetrug am 25. Februar nächsten Jahres.“ Bei näherem Hinsehen reduziert sich der Vorwurf darauf, die FSLN behalte sich „die absolute Kontrolle“ über den Obersten Wahlrat vor. Richtig ist, daß von dessen fünf Mitgliedern zwei die Opposition repräsentieren werden. Zwei weitere stellt die Regierungspartei, und die Nummer fünf - das hat die FSLN im Parlament allerdings nur mündlich zugesagt soll eine unabhängige prominente Persönlichkeit sein.

Ernstzunehmender sind die Einwände gegen das dritte Gesetz, das neue Mediengesetz. Die Forderung der Opposition nach Zulassung privater Fernsehsender bleibt zwar unerfüllt, doch wird „den gesellschaftlichen und politischen Gruppen gleicher Zugang“ zum staatlichen Fernsehen versprochen. Die Vorzensur, auf die die Sandinisten auf internationalen Druck hin vor einem Jahr verzichtet haben, ist zwar jetzt definitiv abgeschafft. Doch auch in Zukunft können Medien gerügt und - im Wiederholungsfall - für bis zu drei Tage geschlossen werden, wenn sie „gegen die Staatssicherheit, die nationale Integrität, den Frieden oder die öffentliche Ordnung“ verstoßen.

Offenbar gab es in der FSLN Stimmen, denen diese nachträgliche Zensur gar nicht so recht ist: Im Laufe der Parlamentsdebatte verschwanden jedenfalls zwei Sanktionen aus dem von Ortega vorgelegten Entwurf: die Geldstrafe und die Beschlagnahme des Betriebes. Auch Vizepräsident Sergio Ramirez gab im Gespräch mit der taz „Zweifel“ zu. Er habe den Päsidenten der Nationalversammlung, Carlos Nunez zugleich eines der neun Mitglieder der FSLN-Leitung -, gefragt, ob man nicht die „zeitweilige Schließung“ fallenlassen könnte. Über die Staatssicherheit wacht in Nicaragua Tomas Borge mit seinem Innenministerium. Dort, in der Abteilung für Medien, sollen dann auch die Sanktionen verhängt werden. Appellationsinstanz ist der Innenminister selbst - ohne daß gegen seine Entscheidung vor Gericht geklagt werden kann. Die große Mehrheit der Oppositionsparteien gab im Parlament das Motto aus „Das beste Mediengesetz ist, gar keines zu haben“ und boykottierte die Schlußdebatte.

Bemerkenwert: Das neue Gesetz verbietet den Medien ausdrücklich, die Frau „als kommerzielles Produkt oder Sexualobjekt“ darzustellen. Und künftig ist auch keine Zigaretten- oder Alkoholwerbung mehr erlaubt. Nur noch als Sponsor von Programmen „sozialer Entwicklung“ darf jetzt zum Beispiel die Compania Licorera auftreten. Aber ihren Flor de Cana („Die Blüte des Zuckerrohrs“), den künstlichsten Rum der Welt, darf sie dabei nicht mehr erwähnen.

USA verlängern Sanktionen gegen Nicagarua

Washington (ap) - US-Präsident George Bush hat am Freitag das seit vier Jahren gültige Handelsembargo gegen Nicaragua bis auf weiteres verlängert. Er begründete dies in einem Schreiben an den Sprecher des Repräsentantenhauses damit, daß Nicaragua eine „ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung“ der Sicherheit der Vereinigten Staaten sei.

Das Handelsembargo war 1985 von Bushs Vorgänger Reagan verhängt worden. Das Embargo umfaßt alle Einfuhren nicaraguanischer Güter in die USA und die Ausfuhr von US -Waren nach Nicaragua, es sei denn, sie sind für die gegen die Regierung in Nicaragua kämpfende Contra bestimmt. Auch der Flug- und Schiffsverkehr zwischen den USA und Nicaragua ist unter dem Embargo verboten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen