: HELDENMORD AM SÄNGERKNABEN
■ „Seelenlust & Augenweide - Wagner und Winnetou geben sich die Ehre“ im Hebbeltheater
Der gedankliche Ansatz zu diesem Salonabend, den uns Dresdner Staatsschauspiel und Semperoper im Hebbel-Theater vorsetzte, wird wohl an einem Dramaturgen-Stammtisch geboren sein, irgendwann nach einer Probe zu Wagners Walküre.
In der Oper hat im Moment der höchsten Liebesglut Sieglinde, die holde, zu singen: „Wer ging umher?“ Darauf Held Sigmund: „Keiner ging, doch einer kam; siehe der Lenz...“ und so weiter. Jedenfalls muß es dem Dramaturgenstammtisch in Dresden umwerfend komisch vorgekommen sein, einmal auf der Bühne zu zeigen, daß da nun wirklich jemand kommt. Wer kommt? - Winnetou kommt auf die Bühne, um in bestem Karl-May-Deutsch zu verenden, nicht ohne (eigentich ist das ja bekant) sich vorher zum Christentum zu bekehren. Kitsch wagnerscher und mayscher Manier auf die Spitze getrieben.
Das gab es nun aber am Samstag abend nur am Rande zu bewundern, denn bei der Arbeit an diesem Kitsch muß sich in Dresden wohl herausgestellt haben, daß das die einzige Idee war, die den Dramaturgen in dieser Hinsicht kommen mochte. Nun läßt sich schwerlich mit einer Viertelstunde Winnetou -Tod ein ganzer Theaterabend bestreiten. Also hatte die erste Stunde, vor der Pause, mit dem angekündigten Wagner -Winnetou-Thema rein gar nichts am Hut.
Vorgeführt wurde eine Programmfolge nationalistischer Diskurse von „B-Dichtern“ und Philosophen des verlängerten 19.Jahrhunderts, versetzt mit Liedchen wie „Es hat keine Dornen die Wasserros'“ oder „Die Sterne wandeln durch die Nacht - ach bin ich schon tot?“ woraufhin auf offener Bühne im aufgebauten wilhelminischen Salon ein Tüll-Schwan sterben muß. Dem Publikum im Hebbel-Theater gefiel es hämisch. Natürlich sind Trivial-Kunstwerke der Kaiserzeit gruslig schön, doch gelacht wird eben auch heute noch nur über die Form, nicht über die Inhalte, die in den Charts von 1989 fröhliche Urstände feiern. Doch die Autoren Traute Schölling und Friedrich-Wilhelm Junge, bewahren uns vor der platten Erkenntnis, daß es Trivialität schon länger gibt, denn all dieser Kitsch hat eine politische Botschaft: Die nationalistischen Dichter der Kaiserzeit sind die Wegbereiter des Faschismus, was sich am besten daran erkennen läßt, daß Kaiser Wilhelm II. selbst Komponist und Dichter war und als solcher das Finale des ersten Teils bestreiten darf. Wir lernen daraus, daß alle politischen Entwicklungen herbeigedichtet werden, weswegen Buchzensur und Literaturverbot die probatesten Mittel des Staatsschutzes sind.
Im zweiten Teil dann endlich Wagner. Durch trockenes Sprechen des Gesangstextes soll bewiesen werden, daß die Walküre nationalistischer Kitsch ist. Das Publikum versagt über lange Strecken seine lachende Gefolgschaft. Denn natürlich ist Wagner anfechtbar und seine Texte sind dämlich („Waffenlos bin ich, dem Wunden Gast Wird dein Gatte nicht Wehren - die Wunden Weise mir schnell - Winterstürme Wichen dem Wonnemond...“). Aber daß man durch Entstellung und Verkleisterung der unlösbaren Verbindung von Dramaturgie und Text alles lächerlich machen kann, ist auch dem letzten klar. Alles was behauptet, hehr, groß, heldisch zu sein, läßt sich durch einen Blick hinter die Kulissen entlarven. Man stelle sich den Text des StGB 129a im Winnetou-Kostüm auf der Opernbühne vor: Ist das neben dem kurzen Kichern wirklich entlarvend, ist die Zwangsnorm auf diese Weise unschädlich gemacht, natürlich nicht. Wagners Anfechtbarkeit, sein prä-Faschismus werden nur verkleistert. Und die Helden, die hier denunziert werden sollen, denunziert Wagner zwei Akte später selbst. Trauriger wird sein Unterfangen noch durch den Auftritt Winnetous. Die Texte Karl Mays fügen sich nicht in den Wagner-Rahmen, Brüche werden peinlich und beweisen nichts. Die politische Message ist pflichtgemäß zur Rechtfertigung des Ganzen im ersten Teil schon abgehakt worden, hier werden nur noch Tabus gebrochen, die keine mehr sind. Todkomisch, wie Droste auf der Opernbühne oder die Trissenar in Hollywood - hier aber leider nicht ernst gemeint.
Frank Szeimies
Das Dresdner Gastspiel „Seelenlust und Augenweide“ wird am 30./31.5, 1./2. Juni, 20 Uhr im Hebbeltheater wiederholt.
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