Auf Napoleons Spuren

Friedensstafette der Sportler- und Sportlerinnen-Initiative von Paris nach Moskau  ■  PRESS-SCHLAG

Als der selbstgekrönte französische Kaiser Napoleon I. vor nahezu 200 Jahren von Paris in Richtung Moskau aufbrach, führte er wenig Gutes im Schilde. Zurück kam er ebenso heer wie haarlos, dafür mit kalten Füßen und Eiszapfen am Tornister. Anstatt sich dem schlachtenfreudigen Korsen zum offenen Kampfe zu stellen und ihm Gelegenheit zu einer Demonstration seiner strategischen Brillanz zu geben, hatten die undankbaren Russen einfach ihre Hauptstadt Moskau angezündet, sämtlichen Wodka ausgetrunken und den Rest ihrem berühmten „Väterchen Frost“ überlassen.

Wenn im August die „Sportler und Sportlerinnen für den Frieden“ am Schluß ihrer „Friedensstafette des Sports 1989“ in der sowjetischen Hauptstadt eintreffen werden, dürfte Vergleichbares nicht bevorstehen. Zum einen haben die Sportler wohlweislich den Sommer für ihre Aktion gewählt, zum anderen verfolgen sie ja Ziele, die den napoleonischen diametral entgegenstehen. Sie wollen, wie der Vize -Europameister von 1966 über 800 Meter, Franz-Josef Kemper, sagt, „die Fackel des Friedens über die Grenzen Europas von Paris nach Moskau tragen“. Napoleon soll schon jetzt mehrfach beim Rotieren in seinem Sarkophag im Invalidendom erwischt worden sein.

Auch nach der Abschaffung der Mittelstreckenraketen gibt es für die Sportlerinitiative, die jahrelang gegen Pershing II, SS 20 und Cruise Missiles gefochten hatte, keinen Grund, „die Hände in den Schoß zu legen“, betont Kemper und verweist auf die drohende Modernisierung der Kurzstreckenraketen. Noch weiter geht Ruder-Olympiasieger Matthias Mellinghaus, einer der Organisatoren der Stafette, der neben der Rüstungsproblematik auch den Kampf gegen Umweltverschmutzung, Rassendiskriminierung und andere Mißstände als Aufgabe der Initiative sieht. Für ihn haben vor allem die Olympischen Spiele von Seoul, wo die „Utopie einer multinationalen Ökumene“ für kurze Zeit Realität geworden sei, gezeigt, daß Sport sehr wohl etwas mit Politik zu tun habe: „Unsere Einmischung ist wünschenswert und notwendig.“

Daß es nicht wenige sind, die genauso denken, zeigt die Liste der Sportler und Sportlerinnen, die den Aufruf zur Stafette bereits unterzeichnet haben. Sie enthält über 200 Namen, darunter 60 Olympiateil nehmer von Seoul und Calgary. Besonders die Fechterinnen (Sabine Bau, Christiane Weber, Cornelia Hanisch, Sabine Bischoff) zeichnen sich durch friedenspolitischen Eifer aus (möglicherweise aus tiefenpsychologisch-kompensatorischen Gründen wegen ihrer kriegerischen Sportart), aber auch Ruderer, Leichtathleten (Dieter Baumann, Sabine Everts), Fußballer (Jürgen Klinsmann, Karl Allgöwer, einige Düsseldorfer Fortunen), Eishok keyspieler (Gerd Truntschka), Handballerinnen (Petra Platen), und viele, viele andere sind mit von der Partie. Aus der Sowjetunion haben unter anderem Sergej Bubka, Vladimir Salnikov, Tatiana Samolenko ihre Unterstützung der Stafette kundgetan, aus der DDR Kristin Otto, Waldemar Cierpinski, Udo Beyer, aus der CSSR Helena Sukova, Jiri Raska, Emil Zatopek, Dana Zatopkova, Jan Zelezny, um nur einige wenige zu nennen.

Am 9. Juli werden die Teilnehmer der Stafette in Paris an den Start gehen und die ersten der 2.900 Kilometer zurücklegen. Eine Kerngruppe mit Menschen aus acht Ländern wird die ganze Strecke absolvieren, wer dazugehören möchte, möge sich ganz schnell beim Organisitionsbüro melden. Die Kosten pro Person belaufen sich auf circa 2.000 Mark. An den einzelnen Etappen sollen sich möglichst viele Bewegungsfreudige beteiligen, die je nach individueller Präferenz radfahren, laufen, reiten, schwimmen, rollstuhlfahren, fliegen, rudern, rollschuhlaufen, stelzen, hüpfen oder sonstwas können. Turniere, Regatten, Spiele, etc. werden an den Etappenzielen stattfinden, in Frankfurt, das am 15.7. erreicht wird, soll es mit einer zentralen Veranstaltung den „nationalen Höhepunkt“ geben. Am 20. geht es in die DDR, am 24. nach Polen, am 30. in die UdSSR. Über Minsk und Smolensk wird dann am 6. August Moskau erreicht.

Der sowjetische Chef-Glasnostiker Michail Gorbatschow soll, wie verlautet, dem Projekt durchaus gewogen sein und nur eine einzige Bedingung gestellt haben: Die letzte Etappe darf nicht geflogen werden.

Matti

Organisationsbüro Sportfriedensstafette, Amsterdamer Str. 64, 5000 Köln 60. Spendenkonto: Stadtsparkasse Hannover, Kto.Nr. 51 732, BLZ 250 501 80, Stichwort: H.St.1.5510.177000.5zug.SFIV