: 20 Minuten in die Zukunft - Das Medium schlägt zurück
■ S T A N D B I L D
(Max Headroom, Mo., 24.4., 19.30 Uhr, SAT 1) „H-H-Hallo, hier ist Max Headroom von Kanal 23, der S-S-Sender, der mit euch macht, was er will.“ Wer da spricht, ist das elektronische Double des Journalisten Edison Carter und der erste vollprogrammierte Fernsehmoderator der Welt. Jedenfalls in der Fiktion. Mit Latexmaske und Perücke, am Schneidetisch zerhackten Bewegungen und verzerrter Stimme wird aus dem Schauspieler Matt Frewer Max Headroom, der mit seinen respektlosen Sprüchen die Medien und ihre Bosse unsicher macht.
Seine Name ist schon Legende. Er bedeutet „Maximale Durchfahrtshöhe“ (max. headroom) und war das letzte, was sein Vorbild aus Fleisch und Blut sah, als er auf der Flucht gegen eine Parkhausschranke prallte. Um zu erfahren, ob Carter hinter das Geheimnis seiner Arbeitgeber gekommen ist
-es werden lebensgefährliche Psychospots gesendet - wird sein Gedächtnis von eben dem kindlichen Computerfreak, der die Spots erfand, in den Computer kopiert. Heraus kommt ein synthetischer Mega-Star des Kanals, zwar nur als Brustbild, stotternd und zuckend, aber sympathisch und ungeheuer telegen. Er verselbständigt sich schnell und läßt die Einschaltquoten rasant steigen - auf Kanal 23 wie auch in Wirklichkeit.
SAT 1 hatte sich schon durch die Wiederaufnahme von Raumschiff Enterprise ins deutsche Fernsehprogramm um das Fiction-Genre verdient gemacht, mit der Nachfolgeserie Die Außerirdischen mehr oder minder einen Fehlgriff getan, und nun besetzt Maxens Traumhaupt den Platz im Kopf, der für Science-fiction bestimmt ist. Mag sein, daß sich auch Edison Carter mit seinem Alter ego wie bei dem dramaturgisch schwachen Vorgänger nur noch von Abenteuer zu Abenteuer hangeln, doch in der ersten Folge war Max Headroom unschlagbar. Witzig und frech überspielt er das Bild von Big Brother, denn obwohl er allgegenwärtig ist in der verschalteten Welt von morgen, benutzt er seinen Einfluß nur für den Kampf gegen das Böse und Dumme. Selbst ein Wort wie „Controller“ hat hier seinen schlechten Klang verloren. Der Controller, in diesem Fall eine „sie“ - und sie ist die Beste - ist nur noch ein guter Helfer, der einen Reporter elektronisch betreut und auch schon mal aus dem Tiefkühlfach in der Organbank holt. (Zitat: „Wollen Sie ihn tot oder lebendig?“)
Traurig an der Serie ist nicht diese naive Wortwahl, sondern die Tatsache, daß auch Max Headroom später der Kontrolle von realen Fernsehbossen zum Opfer fällt und zahm geworden ist. Unverfrorenheit und ein loses Mundwerk sind eben weder heute noch morgen bei Chefs sehr beliebt, und so wurde das Erfinderteam von Max, Annabel Jankel und Rocky Morton von der Produktion ausgeschlossen. Ihr Fiction-Kind dagegen machte Karriere, moderiert eine eigene Fernsehshow und wirbt für süße Brause. Genial an ihm bleibt, daß Max Headroom in seiner Rolle mit seinen ZuschauerInnen kommuniziert, dich und mich direkt anspricht und mit dem Charme eines Hans-Joachim Friedrichs sagt: „Hier ist M-M-Max Headroom. Die Einschaltquote beträgt im Moment zwei - drei wär'n mir lieber.“ Nächsten Montag sind es sicher schon mehr.
Susanne Ehlerding
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