piwik no script img

Naturschutz dem Machterhalt geopfert

■ Joschka Fischer fordert die Entlassung von Bundesumweltminister Töpfer / Wir dokumentieren seinen Brief an die Grüne Antje Vollmer

IM

Liebe Antje! Mit der gestern vom neuen Regierungssprecher Klein öffentlich bestätigten Vertagung einer Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes auf die nächste Legislaturperiode findet eine nicht abreißende Kette von Versprechungen und umweltpolitischem Wortbruch des Bundesumweltministers Töpfer einen einsamen Höhepunkt. Der Naturschutz ist das Herzstück einer jeden Umweltpolitik und seine Wirksamkeit oder Hilflosigkeit zugleich Maßstab für die Ernsthaftigkeit umweltpolitischer Maßnahmen. Der Naturschutz befindet sich seit Jahren in der Bundesrepublik auf einem beständigen Rückzug gegenüber bedenkenlos die Umwelt schädigenden wirtschaftlichen Nutzungsinteressen, vor allem aus Großchemie, Straßenbau und Landwirtschaft. Daher kommt dem Wegfall der Naturschutzklausel und der Einführung einer Naturschutzabgabe für den Naturschutz und für die Ökologisierung der Landwirtschaft eine überragende Bedeutung zu. (...)

Seit Monaten ließ sich Töpfer für die Ankündigung feiern, daß er die „Naturschutzklausel“, die eine umweltzerstörende Landwirtschaft begünstigt, streichen und eine „Naturschutzabgabe“ für Natur- und Landschaftsverbrauch einführen wolle. Der Bundeskanzler höchstselber hat am letzten Mittwoch die von Töpfer als zentrale Reform im Naturschutz gefeierte Novelle in den Papierkorb der Geschichte befördert. Ein um seinen Kanzlersessel herumhampelnder Kohl fürchtet schlicht und einfach den Verlust von Wählern aus der Bauernschaft an die Republikaner. Kurzfristigen Machterhaltungsimperativen opfert diese Bundesregierung zentrale Interessen einer vorsorgenden Umweltpolitik, ohne mit der Wimper zu zucken. Das Verhalten von Umweltminister Töpfer ist beschämend verantwortungslos.

Ich fordere euch auf, noch in dieser Woche einen Antrag auf Entlassung des Bundesumweltministers Töpfer im Deutschen Bundestag einzubringen. (...)

Mit grünen Grüßen Joschka Fischer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen