: Geheimer Haushaltsplan geklaut und enttarnt
■ Bevor Kanadas Regierung dem Parlament ihren Etat und Sparprogramm vorstellen konnte, wurde das Dokument geklaut
Ottawa (dpa/afp) - Das hat es in der Geschichte der parlamentarischen Demokratie noch nicht gegeben: Die Haushaltsvorlage der Regierung, die Finanzminister Wilson gestern dem Parlament vorlegen wollte, ist am Vorabend von einem Unbekannten gestohlen worden. Noch am Mittwochabend veröffentlichte eine private Fernsehstation, an die der Dieb das geklaute Material weitergegeben hatte, Einzelheiten des sonst so streng gehüteten Etat-Geheimnises. Alle Fernsehstationen unterbrachen ihr normales Programm, um über die Ereignisse zu berichten.
Vergeblich hatte die Regierung zuvor noch versucht, die Opposition zu einer sofortigen Notstandssitzung zu überreden, um die Vorlage im Parlament vorzuziehen, bevor der Haushaltsentwurf an die Öffentlichkeit gelangen könnten. Nachdem diese Initiative scheiterte, informierte der Finanzminister statt dessen die Presse zuerst über die vorgesehenen Steuererhöhungen, die noch vor Beginn der Pressekonferenz in Kraft getreten waren.
Der Haushaltsplan steht im Zeichen der Defizitreduzierung. Mindestens ein Drittel des Etats ist für den Schuldendienst vorgesehen. Besonders betroffen von den Einsparungen ist der Verteidigungssektor. Größte Überraschung brachte die Streichung eines milliardenteuren Anschaffungsprogramms für eine Flotte von nuklearbetriebenen U-Booten. Weiter sollen 14 militärische Stützpunkte geschlossen werden. Gespart werden soll auch bei der Entwicklungshilfe und bei der Arbeitslosenversicherung, aus deren Finanzierung sich die Regierung ganz zurückziehen will.
Auf der Einnahmenseite wurden die Steuern für Zigaretten, Alkohol und Kraftstoffe erhöht. Größere Firmen und Besserverdienende müssen mehr Steuern zahlen.
Der Chef der liberalen Opposition und ehemalige Ministerpräsident John Turner wollte zum Budget keine Stellungnahme abgeben. Er sagte lediglich, das von Wilson vorgelegte Dokument sei kein gültiger Staatshaushalt. Der Minister habe jetzt die Pflicht, zurückzutreten.
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