: Kohl vor dem Bundestag: Altes in altem Gewand
Einzige Neuheit der mehrstündigen Regierungserklärung: Ein paar Millionen für Langzeitarbeitslose / SPD-Chef Vogel: Kohl auf der Flucht vor den WählerInnen ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Das sei eine ganz ausgezeichnete Regierungserklärung, ließ sich Heiner Geißler gestern im Anschluß an Helmut Kohls Regierungserklärung vor dem Bundestag vernehmen. Wie öfter bei solchen Kommentaren lächelte der CDU-Generalsekretär fein, und pünktlich fragten einige Journalisten, ob der Geißler das ironisch gemeint habe.
Anlaß zum Spott hätte Geißler jedenfalls gehabt: In Bonn gestern von Kohl nichts Neues. Und das Bekannte - anders als früher - auch noch in altem Gewand.
Umwelt- und Energiepolitik, Wirtschafts-Finanz- und Sozialpolitik, Familienpolitik, Ausländer- und Aussiedlerfrage, Innere Sicherheit, Landwirtschaft und die sogenannte Modernisierung der atomaren Kurzstreckenraketen fast eineinhalb Stunden lang erklärte sich Kohl zu den Plänen seiner Regierung. Zu den einzelnen Punkten: Mit den Ausführungen zur „Sicherheitspolitik“ bekräftigte der CDU -Kanzler lediglich das, was in der Koaltion bereits abgesprochen und in Washington vorgetragen worden war: Bonn wünscht die „baldige Aufnahme“ von Verhandlungen über die nuklearen Kurzstreckenraketen und erst für 1992 eine Entscheidung über die Einführung des Lance -Nachfolfesystems.
Im Umweltschutz bleibt weitgehend alles beim Alten. Der Umweltschutz soll als Staatsziel ins Gundgesetz aufgenommen und die Umwelthaftung neu geregelt werden. Zum lange geplanten Naturschutzgesetz, das Kohl selbst letzte Woche aus Angst vor zu scharfen Auflagen für die Bauern, boykottiert hatte, bemerkte er lediglich, es solle novelliert werden. Allerdings müsse über eine Finazierung mit den Ländern verhandelt werden. Mit der angekündigten steuerlichen Förderung des geregelten Dreiwege-katalysators für Kleinwagen wird die Regierung selbst der Industrie hinterherhinken: Am vergangenen Freitag gab der Opel-Konzern bekannt, daß er ab sofort auch Kleinwagen nur noch mit dem Dreiwege-Kat ausrüste.
Zur „Betreuung“ der Langzeitarbeitslosen soll die Bundesregierung nach dem Willen Kohls 250 Millionen Mark zur verfügung stellen. Und der Bundesanstalt für Arbeit will man 1,5 Milliarden Mark an Lohnkostenzuschüssen für die Arbeitgeber zukommen lassen, um sie zur Einstellung von Langzeitsarbeitslosen zu bewegen.
Zu den Ausländern verwies der Kanzler auf das geplante neue Ausländergesetz. Emphatisch wiederholte er: „Wir sind kein Einwanderunderunsland und wollen es auch nicht werden“. In der Aussiedlerpolitik will er offenbar seinen Rückzugskurs fortsetzen: Erstes Ziel sei, die Lebensverhältnisse „unserer Landsleute in Polen und der Sowjetunion zu verbessern“.
Im Hungerstreik bleibt die Regierung hart, denn: „Unser Staat ist nicht erpreßbar“. Zu anderen Bereichen stellte der Wendekanzler allerdings fest, Prinzipientreue schließe Korrekturen nicht aus. Die Rücknahme der Quellensteuer, die Aussetzung der Wehrdienstverlängerung, den Baustopp in Wackersdorf streifte Kohl nur flüchtig und eher verschämt.
Der SPD-Vorsitzende Vogel hatte in der anschließenden Debatte im Bundestag für die Regierungserklärung nur Hohn übrig. Kohl habe wieder einmal breit und pathetisch gesprochen, sei auf der Flucht vor Wählerinnen und Wählern und betreibe eine Politik der manifesten Panik, so das Urteil Vogels. Auf einem beharrte der SPD-Chef besonders: Kohl müsse sich wegen der Rücknahme seiner Fehlentscheidungen bei den Betroffenen entschuldigen.%% Kommentar auf Seite 8
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