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Ex-Umweltsenator Starnicks letzter Strip

■ Krebsverdächtige Umweltgifte können trotz neuer, scharfer Grenzwerte unkontrolliert in die Kanalisation und in die Luft gelangen / Ex-Umweltsenator Starnick ließ eine Lücke in neuer Verordnung / Potentieller Nutznießer: Pharmakonzern Schering

Durch eine Gesetzeslücke geraten sie in die Umwelt: Giftige, krebsverdächtige Chlorkohlenwasserstoffe können unkontrolliert in die Kanalisation gelangen. Möglich wird das durch eine Meßmethode für diese Stoffe, die noch unter dem alten FDP-Umweltsenator Starnick in der sogenannten Indirekteinleiterverordnung festgeschrieben wurde. Die Verordnung soll die Schadstoffmengen beschränken, die von Firmen über das Abwasser in das städtische Kanalisationsnetz geleitet werden dürfen; erlassen wurde die Neuregelung zwei Tage vor der Wahl des neuen Senats.

Die AL hatte die Verordnung schon damals als „völlig unzureichend“ kritisiert. Eine Feinheit der Neuregelung fiel einem Umweltexperten erst jetzt auf: Die Verordnung sorgt dafür, daß bestimmte Schadstoffe im Abwasser gar nicht erst bemerkt werden. Möglich wird das, weil die Gruppe der halogenierten Chlorkohlenwasserstoffe (CKWs) auf der Grundlage „gestrippter Proben“ zu messen sind. In diesem Verfahren wird bei der Messung Luft eingedüst. Flüchtige CKWs, wie Perchlorethylen (PER) oder Methylenchlorid, können in die Luft entweichen und werden folglich nicht mehr registriert. Praktische Konsequenz: Die Firmen können die geforderten Grenzwerte leichter einhalten.

Ein potentieller Nutznießer ist der Pharmakonzern Schering. Die Abwässer seines Weddinger Werkes sind, das wird vom Konzern nicht bestritten, immer noch mit durchschnittlich 12 Milligramm Methylenchlorid pro Liter belastet. Künftig, nach einer einjährigen Frist, beträgt der erlaubte Maximalwert für alle halogenierten Chlorkohlenwasserstoffe zusammen jedoch nur noch ein Milligramm.

Schering müßte große Sprünge machen, um diesen Grenzwert einzuhalten. Methylenchlorid ist in dem Pharmawerk ein beliebtes, weil schwer brennbares Lösemittel. In mehreren Bereichen wird das Lösemittel bei Schering eingesetzt; viele Produktionsverfahren müßten umgestellt werden, um den Methylenchlorid-Ausstoß zu verringern. Messungen auf der Basis „gestrippter Proben“ erleichtern es der Firma, den Grenzwert einzuhalten.

Doch der scharfe Grenzwert macht Sinn, zum Beispiel für Schering-Nachbarn. Geraten flüchtige CKWs, beispielsweise Methylenchlorid, in die Kanalisation, verdampfen sie und belasten die Luft. Bei einer Wasserbelastung von zwölf Milligramm verlassen jährlich an die zehn Tonnen Methylenchlorid das Schering-Werk in Richtung Umwelt. 1984 ermittelte der TÜV noch in 1,5 Kilometer Entfernung vom Schering-Werk die stadtweit höchste Konzentration des krebsverdächtigen Stoffes.

Ein Beamter der Umweltbehörde erinnert sich, daß die Strippung auf Anregung der städtischen Wasserbetriebe in die Verordnung aufgenommen werden. Zur besseren Ermittlung schwerflüchtiger CKWs hätten die Wasserbetriebe durchaus gestrippte Proben empfohlen, sagt deren Sprecher Rudolf. Seine Einschränkung: Leichtflüchtige Stoffe wie Methylenchlorid müßten natürlich zusätzlich auf der Grundlage ungestrippter Proben ermittelt werden. Doch davon ist in der Senatsverordnung nichts zu lesen.

Heute verspricht Schering-Sprecher Wlasich, der Konzern werde die Lücke im Gesetz nicht nutzen. Bis zum Stichtag in einem Jahr wolle die Firma den Methylenchlorid-Wert auf das zulässige Maß drücken - auf ungestrippter Grundlage. Mögliche Ursache dieser Selbstlosigkeit: Der neue Umwelt -Staatssekretär Groth hat „realistischere Meßmethoden“ für Chlorkohlenwasserstoffe schon in Aussicht gestellt.

hmt

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