: Egal, ob grün - Hauptsache richtig
■ Kulturpolitisches Hearing in der Bürgerschaft: „Grüne ART auf grüne Weise“: Die Berliner Kunstamtsleiterin Krista Tebbe holte alte und neue Theoreme auf den Tebbich konstruktiver Anstöße
Daß grüne Kulturpolitik nicht nur in der Projektscene weitgehend unbekannt, sondern den Grünen selber offenes Problem ist, war Anlaß, die Blöße zum Thema zu machen: Was grüne Kulturpolitik überhaupt und an sich sein kann, sollte ein Hearing klären helfen. Der grüne Vorstandssprecher Thomas Krämer-Badoni, der das Hearing mit der Kulturpolitikerin der Fraktion, Helga Trüpel, organisierte, hatte deshalb den Schwerpunkt des Podiums auf (auswärtige) Theoretisierer und auf KulturpolitikerInnen aus Berlin und Frankfurt gelegt, wo die grün-roten Koalitionen die Frage jetzt praktisch und deshalb spannend, stellen.
Helga Trüpel skizzierte die bis
herige grüne Bremer Diskussion: Grüne Kulturpolitik soll Lobby für freie Projekte sein, die keine oder nicht genug staatliche Gelder kriegen; dies aber nicht durch Umverteilung der Mittel für die „Hochkultur“ nach außen -unten, sondern durch Aufstockung des Kulturetats von ca ein Prozent des Haushalts auf derer drei.
Diese Forderung nach mehr (Kultur-)Geld stellte Albrecht Göschel (Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin) in Frage, mit einer Überlegung zur veränderten Funktion von Kultur (womit er Kunst meinte). Wenn die nämlich in einer Angestelltengesellschaft zum Mittel werde, mit dem sich einzelne die Zugehörigkeit zu einer für andere unzugänglichen
Gruppe bestätigten, , wie z.B. die exklusive Lebensstilstilisierung der Punks in Kreuzberg, dann diene sie insgesamt nicht dem Bedürfnis nach Aufklärung. Dann sei ihre öffentliche Subventionierung eine „Fehlnutzung“, für solche Kultur reiche der Markt aus. Überspitzt, Göschel tat das nicht, heißt das: Nicht mehr, sondern überhaupt keine Staats-Kulturknete brauchen wir, weil Göschel Kultur im Moment nicht aufklärerisch, sondern ausgrenzerisch findet.
Das Problem des kulturpolitischen Sprechers der Frankfurter Grünen,Micha Brumlik, ist dagegen ein aufgeblähter Kulturetat von 11 % (425 Mio.) in Frankfurt, der einseitig in die Metropolenkonkurrenzprojekte z.B. der Museumsinsel fließt. Er forderte deshalb nachdrücklich Umwidmung der Gelder, eine Demokratisierung der Entscheidungen darüber, was gefördert werden soll, z.B. durch „Parlamente der Künste“. Brumliks Wille, die viele Kulturknete im Namen von „Wahrheit“ und „Utopie“ durch staatliche Vermittlung an die Richtigen gehen zu lassen, rief
Proteste des Publikums („Dann haben wir bald wieder Entartung!“) und Hajo Cornels Plädoyer hervor, es möge eine „grüne Kulturpolitik bitte schön nicht geben“, sowenig wie irgendeine andere. Die Späth-Kultur und das Schleswig-Holstein-Festival im Blick, verwahrte sich Cornel gegen jede Zumutung der Politik an die autonomen Räume der Kultur.
So, und dann war da noch Krista Tebbe, seit 1977 Leiterin des Kunstamts Kreuzbergs, die, als einzige frei sprechend, mit Beispielen aus ihrer Arbeit die Aporien auflöste, die die Herren gebastelt hatten. Ja, Herr Göschel, gerade weil Kunst auch Abgrenzungskunst ist und sich eigene Identität in der Auseinandersetzung mit den „anderen“ herstellt und weiterentwickelt, hat Kulturpolitik „Grenzüberschreitungen“ zu organisieren. Bespiel: Oriental Rock-Tage in Kreuzberg mit Bands einheimischer TürkInnen, Londoner Muslims und Kinder nordafrikanischer Immigranten aus Lyon. Und, Herr Goeschel: die Abgrenzungsfunktion von Kultur/Kunst ist kein Argument für oder gegen staatliche Förde
rung, denn, Herr Cornel, an der Entscheidung, was zu fördern ist, kommt man, Herr Cornel, bei allem antietatistischen Widerwillen nicht vorbei. Kriterium sei: Über den Markt laufen lassen, was alleine läuft, Rockbands können sich über die Plattenindustrie finanzieren, aber Theater-Ensemble -Arbeit ist nicht industriell auf Platte gepreßt zu verkaufen. Sie muß öffentliches Geld kriegen. Aber nicht, weil sie frei ist, sondern nur insofern sie gut ist und da, Herr Brumlik, da kommen wir nicht weiter mit Prinzipien und dem großen „jetzt machen wir alles umgekehrt“. Außerdem: „life“ ist nicht per se besser als industriell gefertigt, ein guter Hollywoodfilm kann besser sein als ein schlechtes noch so freies Theaterstück; das soll aber nicht das „Volk“ in „Kunstparlamenten“ beurteilen, sondern KulturarbeiterInnen, und die konkret und am jeweiligen Fall. Ein besseres Plädoyer für Kulturpolitik als der Auftritt dieser Frau war schlecht zu denken. Was dazu fehlt, sind Politikerinnen wie Christa Tebbe.
Uta Stolle
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