DOKTORSPIELE

■ Eine Medizinalschau im Tempodrom

Wären bloß nicht diese dämliche Warnung „Lachen ist gesund“ und dieses blöde Motto aus der Chronologie des laufenden Frohsinns: „Heraus zum 1. Lacher“, ha, ha, ha - jenseits der Lachzwänge der stets Gesund-und-Munteren könnte die Medizinalschau von Männerminne, den Tornados und Georg Ringsgwandl im Tempodrom doch noch von bedeutender Lustigkeit sein. Obwohl Männerminne als schwuler Ärztechor verkleidet geht und verschiedene Gesundheitsreformliedlein schmettert und gar noch über Blümwitzlein lächelt; obwohl die Tornados ihr altes Programm mit neuen Gebrechen aufpäppeln - aus der Serie „Wes Blut ich trink, des Leid ich sing“, weil am Montag beim ersten Abend des Drei-Tage-Sichens der Gesundheitsladen Veranstalter war, am Dienstag die Ärzte gegen den Atomkrieg einwiesen und heute schließlich die Ärztekammer Gallen und Blasen läßt.

Der einzige, der seinen Auftritt nicht noch vorsätzlich zusatzpathologisieren muß, ist allerdings der Echtarzt Ringsgwandl aus Garmisch-Partenkirchen im Musik- und Gesangverein mit zwei weiteren Kafkaakademikern: erstens konnte er sich reichlich Zungengebrochene im Publikum schon im Vorfeld sichern, glitt doch ein ganzes Invalidenkorps von RadiosprecherInnen schon tagelang am Ringsgg ... ggge ... ww ... o ... andl systematisch in die Peinlichkeit ab; zwotens wär's nun wirklich nicht komisch, wenn ein Berufsspastiker einen von der Krankenkasse schmettern würde.

Der falsettierende Pseudo-Countertenor, der Brigadier „Dicke Lippe“, der oberbayrische Killerclown, der versefüßige Gewaltreimer (bei mir besonders beliebt: „I brauch ein Pfund Dynamit für den Schiit“), der häßlichste Nasenmann allhier: er tzappelt wie kein tzweiter tzu knallenden tZetts, tzynischen Worten und tzweifelhafter Musik tzwischen Blues und Jodler aus der Ertzeugergemeinschaft von Hammondorgel und Hawaigitarre. Nur, daß sein vermeintlicher Zynismus in Wirklichkeit nicht zynisch, sondern sarkastisch und damit von allertiefster Menschenliebe ist, und der Zweifel nicht zweifelhaft, sondern eindeutig angebracht ist, angesichts einer kranken Welt, die einem die Gesellschaft von kernigen, gesunden, freiwilligen, eitlen Campingbusfahrern, Drachenfliegern, Tiefseetauchern, Porschefahrern und vor allem Citybagträgern zumutet - jawoll. (Letztere hat Ringsgwandl allerdings in seiner Hämeliste noch nicht genügend berücksichtigt, möge er sie künftig in den Reigen der abzuschaffenden Zeitgenossen einschließen!) Und so wendet sich der Böse doch noch zum Guten, vom Wahren lieber ganz zu schweigen.

Gabriele Riedle

Heute noch einmal um 20 Uhr im Tempodrom: der schwule Männerchor Männerminne, die 3 Tornados und Georg Ringsgwandl. Achtung: Die Veranstaltung ist gleichzeitig der „Gesellschaftsabend“ des Ärztekongresses.