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„Das stimmt ja so nicht!“

■ Momper diskutierte am Montag abend im Kreuzberger Kiez / Vorwürfe an den Regierenden: „Die Hälfte der Autonomen sind doch vom Verfassungsschutz“

„Nun lassen Sie mich doch bitte mal ausreden!“ Walter Momper hat Mühe, zwischen den erhitzten Gemütern zu Wort zu kommen. Immer wieder, ob neben den ausgeglühten Autowracks an der Görlitzer Straße oder am Lausitzer Platz, bilden sich am späten Montag abend Diskussionsgruppen um den Regierenden Bürgermeister. Ohne uniformierte Beamte, nur von einem Zivilpolizisten und Innensenator Pätzold begleitet, besichtigt er die Orte der Zerstörung.

Immer sind es die gleichen Fragen nach den Gründen für die Ausschreitungen, die Verletzungen, die auf beiden Seiten zu beklagen sind, die Polizeipräsenz. Momper, dem man die Betroffenheit anmerkt, argumentiert als Kreuzberger. Entspannt bewegt er sich nicht durch das Gelände, wo die Auseinandersetzungen an anderen Stellen noch voll im Gange sind; er zuckt schon mal zusammen, wenn jemand zu ungestüm gestikuliert.

„Das ist alles doch geplant gewesen von den Bullen“, ruft ein junger Mann lautstark in die Gruppe hinein, „die ganzen Plünderungen und so - sonst ist immer eine Wanne vor Getränke-Hoffmann postiert, und zufällig heute steht keine da. Das kann mir doch keiner erzählen, daß das nicht beabsichtigt ist! Die suchen doch nur Gründe, daß sie wieder mit ihren Mannen auf die Leute einhaun können!“

„Wir wollten doch nur ganz friedlich feiern!“ beklagt sich eine junge Frau bitter darüber, daß „unser Lausefest durch die Bullen zerstört“ worden ist. „Warum müssen die Ärsche ohne jeden Anlaß einfach mit Tränengas unser Fest sprengen?“ „Das stimmt ja so nicht“, setzt Momper an, doch er wird unterbrochen durch den ohrenbetäubenden Lärm der Räumfahrzeuge, die Barrikaden beseitigen.

Die Anwürfe sind altbekannt, aber dennoch ist in ihnen ein anderer Ton enthalten. Die Schuldzuweisungen kommen nicht mehr automatisch und eingeübt. Ein junger, lederjackenbekleideter Mann raunt seiner Freundin zu, daß er das ja echt dufte vom Bürgermeister finde, daß der sich hier so unter die Leute mischt und ernsthaft mit denen zu diskutieren bereit ist. „Stell dir mal Diepgen und Kewenig hier vor, das hätten die doch nie gebracht!“

Momper weist auf die zurückhaltende Polizei hin, er betont, daß die Polizei erst nach dem Abbruch des Lauseplatzfestes durch die Veranstalter eingegriffen habe. Etliche der Umstehenden haben das allerdings anders erlebt.

„Aber es darf nicht sein, daß hier einfach Autos angesteckt werden“, so Momper. „Wir wollten doch nur ganz friedlich den 1.Mai feiern. Wir haben doch gar keine Steine geschmissen!“ entgegnet eine junge Frau erregt dem Bürgermeister.

„Na ja, dann sind wir uns ja einig. Aber eines muß ich Ihnen sagen: Wenn Sie das auch nicht wollen, dann sind Sie jetzt gefordert, sich politisch zu engagieren, alles zu tun, um zu verhindern, daß so etwas wieder passiert.“ Eine Antwort erhält er nicht. Statt dessen erntet er den Zuruf, er solle schnellstens dafür sorgen, daß die VS-Provokateure aus der Szene verschwinden: „Die Hälfte der Autonomen sind doch vom Verfassungsschutz!“ „Das ist ein Punkt“, stimmt Momper zu, bevor er zu einer Kreuzberger Kneipe enteilt, wo er sich mit der AL-Führung treffen will. Ein aufgebrachter Mann ruft ihm nach: „Die Senate gehen, aber die Polizei bleibt bestehen!“

Patricia Wolf

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