Teheran heizt Kampagne gegen Bonn an

■ In der iranischen Presse wird der Abbruch der Beziehungen zur Bundesrepublik gefordert / Bonner Botschafter nach der Rushdie-Affäre noch nicht wieder in Teheran / Radikale Propaganda als Beiwerk innenpolitischer Kontroversen

Berlin (taz) - Drei Monate nach dem Todesurteil von Revolutionsführer Khomeini gegen den Schriftsteller Salman Rushdie ist nun in der Teheraner Presse von dem Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Iran und der Bundesrepublik und der Ausweisung von Diplomaten die Rede. Äußerungen führender iranischer Politiker und die Berichterstattung der letzten Tage lassen auf eine regelrechte Kampagne gegen die BRD schließen. Die Zeitung 'Abrar‘ schrieb beispielsweise am Sonntag, der Abbruch der Handelsbeziehungen zur Bundesrepublik sei der einzige Weg, „Bonns Feindseligkeiten gegen Iran zu beenden“. Am Vortag hatte das Blatt 'Keyhan‘ gefordert, bundesdeutsche Diplomaten wegen Spionage auszuweisen. Außerdem wurde die Möglichkeit von Demonstrationen vor der Bonner Botschaft in Teheran angedeutet.

Das Sündenregister, das der Bonner Regierung vorgehalten wird, umfaßt drei Punkte. Informationsminister Reyschari beschuldigte letzte Woche die BRD und ein nicht näher genanntes Nachbarland des Iran der „Kollaboration“ mit den USA beim Aufbau eines US-Spionagerings in der Islamischen Republik. Bereits zuvor hatte Iran der BRD vorgeworfen, den Kriegsgegner Irak bei der Entwicklung von Mittelstreckenraketen und chemischen Waffen zu unterstützen und eine Kürzung des bilateralen Handels angedroht. Schließlich bestellte das iranische Außenministerium am Donnerstag den Geschäftsträger der BRD in Teheran zu sich, um gegen „terroristische Anschläge“ gegen das iranische Konsulat in Frankfurt und die Büros der Luftfahrtlinie Iran Air in Hamburg zu protestieren. Hinter den „Anschlägen“ verbergen sich Aktionen oppositioneller Iraner in der Bundesrepublik, die in den Iran-Air-Büros die Freilassung von politischen Gefangenen im Iran gefordert hatten. Am Montag hatten zwei Männer im iranischen Konsulat Parolen mit den gleichen Forderungen an die Wände gemalt.

Die Bundesregierung hat unterdessen die Vorwürfe „aufs Schärfste“ zurückgewiesen. „Wir wünschen ganz normnale Beziehungen“, sagte ein Außenamtssprecher. „Alles läuft ganz normal“, meinte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums zu den Handelsbeziehungen. Ein Aspekt fehlt auf der Liste der Anschuldigungen völlig: Die Tatsache, daß die BRD ihren Botschafter bislang nicht nach Teheran zurückgeschickt hat, der im Zuge der Rushdie-Affäre zurückberufen worden war. Die Rushdie-Affaire ist in den iranischen Medien schon seit längerer Zeit kein Thema mehr. Indirekt hatte Parlamentspräsident Rafsanjani die Kampagne gestartet, als er vor zehn Tagen seine Lieblingstribüne, das Teheraner Freitagsgebet nutzte, um über das Auffliegen eines Spionagerings im Dienste des CIA zu berichten. Damit suchte der ehrgeizige Machtpolitiker Unterstützung auch bei Radikalen für seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst. Eine Kommission zur Verfassungsreform arbeitet zur Zeit einen Vorschlag aus, wie die Spitzenposten in der Islamischen Republik künftig verteilt sein sollen. Rafsanjani möchte nur dann antreten, wenn das Amt des Staatschefs ähnlich dem System in den USA gestärkt wird. Radikale Parolen wie auch die gegen die BRD machen sich im inneriranischen Tauziehen um gute Ausgangspositionen für die Nach-Khomeini-Ära immer gut. Bezeichnend ist, daß zu den im Zuge der „Spionageaffäre“ Festgenommenen vor allem Anhänger des ehemaligen designierten Khomeini-Nachfolgers Montazeri zählen.

b.s.