: Ein elendes Leben unter Mäusen
■ Im rassistischen Disney-Universum hat der Hund Pluto keine Chance
Im gleichen Jahr, als der Planet Pluto entdeckt wurde, schlug auch die Geburtsstunde des gleichnamigen Hundes: Im Mickey-Mouse-Film The Chain Gang von 1930. Zwar ist der Hund Pluto schneller bekanntgeworden als sein überirdischer Namensvetter und vermutlich -geber, doch vorschnell wäre es, daraus auf eine besondere Popularität zu schließen. Gleich dem Planeten ist und bleibt er eine Randfigur des Disneyschen Universums.
Einmal muß er als Opfer der strengen Dichotomie dieses Universums angesehen werden: hie die äußerst populäre Sippenkombination aus lauter Enten und einer Gans, von deren Familien-Saga aus den großen Tagen Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre ein Reprint nach dem anderen erscheint - und dort die lange nicht so beliebten Mäusegeschichten, von denen der Ehapa-Verlag nach eigener Auskunft „mangels Beliebtheit“ keine Neuauflage anpeilt. Und obgleich allesamt ab ovo in Entenhausen wohnhaft, so wird es wohl nie soweit kommen, daß Pluto an der Leine von Superstar Donald Duck über den Boulevard der Stadt flaniert. In Entenhausen herrscht die Rassengesellschaft in Reinform.
Pluto muß sich aber auch in seinem Leben unter Mäusen mit einer Nebenrolle zufriedengeben. In weniger als einem Viertel aller Stories mit Micky in der Hauptrolle darf Pluto dazwischenkläffen, und allenfalls im Vergleich mit Goofy darf Plutos Geisteswitz ab und an aufblitzen. Bei allen großen Abenteuern von Micky und Kommissar Hunter bleibt Pluto in seiner Hütte angebunden - übrigens auch oft genug, wenn Micky und Goofy zusammen in die verdienten Ferien fahren. Wer kümmert sich dann eigentlich um die arme Kreatur?
Die Ursache für Plutos Elend muß im Grundsätzlichen gesucht werden: Pluto ist ein Hund, und die durch und durch animalische Welt um die Ducks und Maus‘ herum ist rein quantitativ von Hunden dominiert. Kommissar Hunter ist ein Hund, das Ganovenduo Schurki und Schufti Schleicher ebenso, jeder kleine Mann, dem unsere Helden auf der Straße begegnen, ist, wie an der chronischen Knollennase zu erkennnen ist, ein Hund. Und da sträubt sich wohl ein ums andere Mal beim Zeichner der Stift, wenn er im Zweifel Hunde an beiden Enden der Leine zeichnen muß. Ein Versuch, sich aus der Affäre zu ziehen, sind die Einakter mit Strolchi. Hier ist die Welt klar aufgeteilt in Hund und Herrchen. Pluto indes wird letzten Endes nicht herauszuholen sein aus dem schwarzen Loch der animalen Logik des Disney -Universums.
Ulli Kulke
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