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Der böse Herrscher der Finsternis

■ Die Mythologie des Unterirdischen reicht noch für einige Bezeichnungen im Überirdischen

Weit im Westen, wo die Sonne im weltumspannenden Fluß Okeanos untergeht, herrscht der gnadenloseste und finsterste aller Götter: Pluto, der Herr der Unterwelt. Sein Reich erhielt er einst im Losverfahren, nachdem er gemeinsam mit seinen Brüdern Jupiter und Neptun seinen Vater Saturn entmachtet hatte. Jupiter bekam nach dem Putsch die Herrschaft über den Himmel und Neptun die über die Meere, und die Regentschaft über die Erde teilten sich die drei, was bekanntlich zu unerfreulichen Machtkämpfen führte.

Plutos eigentlicher Name ist Hades, der Nichtsichtbare - er hatte die Angewohnheit, stets eine Tarnkappe aus Hundefell zu tragen. Gibt es also einen Zusammenhang mit der Hundegestalt, die kurz nach der Enttarnung Plutos im Jahre 1930 das Licht der Welt erblickte?

Doch zurück in die Sagenwelt. Um Plutos Aufmerksamkeit bei der Nennung seines Namens nicht zu erregen, nannten ihn die Menschen Pluton, den Reichen. Er hütet auch die Schätze unter der Erde, die Edelsteine und Metalle, von denen er sich allerdings nur ungern trennt. Gemeinsam mit seiner Frau Persephone, der Tochter seiner Schwester Demeter, die er der Mutter unter dramatischen Umständen geraubt hatte, da keine Frau verständlicherweise freiwillig mit ihm leben wollte (obwohl ihm auch nachgesagt wird, daß er in intimer Beziehung durchaus seine Qualitäten hat), haust Pluto in seinem dunklen Palast Erebos, dem „zugedeckten Land“.

Nur die Toten dürfen sein Reich betreten. Von Merkur in Gestalt des Psychopompos, dem Seelenbegleiter, werden die Verstorbenen durch den Haupteingang am Ufer des Okeanos durch einen Wald schwarzer Pappeln bis zum Fluß Styx geleitet. Dort erwartet sie Charon, der geizige Fährmann. Wer keine Münze bei sich trägt, um ihn für die Überfahrt zu bezahlen, wird gnadenlos von diesem stummen Diener Plutos am Ufer zurückgelassen, um auf immer im Niemandsland umherzuirren. Jenseits des Styx werden die Seelen von Kerberos, dem dreiköpfigen Höllenhund und Enkel Plutos, in Empfang genommen. Lebende, die sich einschleichen wollen, werden von ihm genauso in Stücke gerissen wie fluchtwillige Seelen.

Bevor die Seelen aber endlich ihren Platz in der Ewigkeit erhalten, müssen sie noch vor den Richter Minos treten. Der schickt nach eingehender Prüfung die tugendhaften Seelen in die elysischen Gärten, wo sie inmitten prächtiger Vegetation folgenlos über die Geschicke der Welt diskutieren können. Die Ruchlosen kommen in die Straffelder des Tartaros, wo sie sich mit solchen Gemeinheiten wie dem ergebnislosen Hinaufrollen von Steinen auf Berge beschäftigen müssen. Die Lauen aber, die weder gut noch böse sind, werden in die Asphodelischen Wiesen geschickt, wo sie jammernd herumlaufen und nach Menschenblut lechzen, um sich die Illusion des Lebens zu verschaffen.

Selten nur ist Plutos Herz zu erweichen. Als einzigem Menschen gelang es Orpheus, der mit seinem Gesang erreichte, daß Pluto die Seele seiner Frau Eurydike freigab - doch mit einer hinterhältigen Bedingung: Orpheus durfte nicht zurückblicken. Es mangelte dem Sänger an Durchhaltevermögen, und Pluto konnte sich die Hände reiben.

So gibt die Mythologie des Unterirdischen noch viele Bezeichnungen für das Überirdische her - zumindest für den zehnten Planeten dürften den AstronomInnen also keine Namensprobleme entstehen.

Petra Dubilski

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