Ein Denkmal ist stumm

Einweihungsprominenz redet lieber statt zu schweigen hier bitte die Grafik  ■ 

Skizze des Bildhauers Jürgen Waller

Ein Denkmal ist stumm. Oder besser: Es spricht eine Sprache, die von wohlmeinenden Sonntagsreden ganz leicht zu übertönen ist. Das Denkmal wehrt sich nicht. Einem feierlichen Standarttext zu Fragen von Frieden, Verständigung und Abrüstung, einem eitlen Diskurs über das Risiko des Wahren und den sich entblößenden Künstler, einem dröhnenden Bekenntnis zum Antifaschismus hat das Denkmal nichts entgegenzusetzen als Präsenz. Das allerdings läßt hoffen. Denn wenn die unnötig elektroverstärkten Worte verflogen sind, bleibt das Denkmal und mahnt und hat Dauer.

Dauer hat der eine Teil des Ensembles schon bewiesen, der bronzene Jüngling so klassisch nackt, in vollkommen narzistischer Pose, ein wenig linkisch, ein Zweiglein hoch erhoben. Er steht seit 1936 in Bremen, und heute wissen wir, daß er der Ehre gefallener Freikorps-Krieger dient, die Täter ehrt.

Dieser Adonis blickt verträumt auf den zweiten Teil des Ensembles, eine wüste Stätte. „Dem Erdboden gleichgemacht“ lautet die immergültige Umschreibung der fürchterlichen Stunde Null des Dörfchens Lidice. Prof. Jürgen Waller zeigt nicht die Opfer, die Verschleppten und die Toten, vielmehr setzt er dem Ästhetizismus des Kubika-Jünglings die nackte Häßlichkeit zerstörter Behausung entgegen, Ziegel, Beton, verbogenes Eisen, ein zerbröckelndes Mäuerchen, alles feuergeschwärzt. Mittendrin, hochaufragend, eine Klage, die zum Himmel schreit: verkohlte Balken, ein gestürztes Kreuz.

Zwei Frauen suchen nach Steinen aus Lidice, die im Denkmal eingemauert wurden, Originalsteinen, die im letzten Jahr eine tschechische Delegation mitgebracht hatte. „Wenn sie so schwarz sind, erkennt man sie gar nicht mehr.„-„Doch, die beiden oberen, das sind sie.“ Reliquien. Zwei Steine, die das Leiden gesehen haben. Die vielen vielen Worte, die sich zu bekannten, abgenutzten Formeln verbinden, und die Steine, so verdammt stumm, immer in Gefahr, auf ihre Rolle als Autentizitäts-Stifter reduziert zu werden.

„Lidice lebt“ heißt die Musik, die für die Einweihung komponiert wurde. Filmmusik für einen stummen Film, der in den Köpfen des Publikums entstehen konnte. Keine schöne Musik - Lärm, Maschinengetöse, Herzrhythmus, Schüsse, Stiefeltritt, Sprechgesang, „Venceremos“ und „Du sag nein“. Angemessene Musik, die Steine zum Reden bringen kann von gequälten und ermordeten Menschen, zerstörten Häusern und Soldaten-Männern, die für einen toten Reichs„protektor“ Rache nehmen.

Ein Ritual aus anderem Zusammenhang hätte dem Denkmal besser entsprochen als lauter gutgemeinte Sonntagsreden: die Schweigeminute.

Burkhard Straßmann